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Geisterstadt

Geisterstadt

Titel: Geisterstadt
Autoren: Stacia Kane
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handelt?«
    Lauren Abrams schlug die Beine mit einem erneuten Nylonflüstern in die andere Richtung übereinander. Die Ältesten Thompson und Griffin sahen sie an, als erwarteten sie, dass Chess jeden Augenblick schreiend aufspringen und aus dem Zimmer rennen würde. Niemand antwortete.
    Sie hatte gerade mit angesehen, wie zwei Menschen gestorben
    waren. Ihre Hand pulsierte an der Stelle, wo sie sich geschnitten hatte. Ihr Oberschenkel schmerzte. Sie wollte eine Zigarette, und sie wollte ihre Pillen. Und sie wollte achtzigtausend Dollar. Ganz egal, um was für einen Fall es ging.
    »Ich mach’s«, sagte sie und hoffte, dass es die Sache wert war.

3
    Und jene Ersten Ältesten ehren wir mehr als alle anderen, denn sie waren die Gründer unserer Kirche und damit die Retter der Menschheit.
    Das Buch der Wahrheit, »Ursprünge«, Artikel 1256
    Der Älteste Griffin erhob sich. Der Schein der Kerzen am Boden fiel auf sein Gesicht und warf flackernde Schatten über ein Auge. Einen Moment lang sah er fremdartig, fast unheimlich aus; dann drehte er sich weiter nach links und war wieder er selbst.
    Chess’ Herz hämmerte in der Brust. Das ist nur ein kleines bisschen Magie, sagte sie sich. Nur ein Eid, nicht anders als die, die sie zu Beginn ihrer Ausbildung abgelegt hatte, und ganz sicher nicht anders als die, die sie beim Abschluss dieser Ausbildung geleistet hatte, als sie im Alter von 21 Jahren eine vollwertige Angestellte der Kirche geworden war.
    Aber es funktionierte nicht. Das hier war etwas ganz anderes, und das wusste sie auch. Und es gefiel ihr nicht. Ebenso wenig, wie ibr der unterschwellig und drängend ansteigende Ener-gielevel im Raum behagte oder das eigentümliche Lächeln auf Lauren Abrams’ Gesicht, während sie zusah, wie die Ältesten den Altar vorbereiteten.
    Chess stand mit hinter dem Rücken verschränkten Händen in der Mitte des Raumes. Bei dem Gedanken an das getrocknete Blut, das sich in den Falten ihres schlichten, förmlichen  Kleids festgesetzt hatte, rebellierte ihr Magen ein wenig. Wegen des Henkers und des Ältesten Murray machte sie sich keine Gedanken; nur wenige Krankheiten, die durch Blut und andere Körperflüssigkeiten übertragen wurden, hatten die strengen Quarantäne-und Eindämmungsprogramme der Kirche überstanden, und gegen die verbliebenen waren Kirchenangestellte geimpft.
    Aber Madame Lupita ... von Krankheiten mal ganz abgesehen, wer konnte wissen, welcher Bakteriencocktail sich in ihren verkrusteten Adern getummelt haben mochte? Chess war sich darüber im Klaren, dass realistisch betrachtet jetzt, da das Blut getrocknet war, kein Risiko mehr bestand, aber das änderte nichts daran, dass sie sich das verdammte Kleid so schnell wie möglich vom Leib reißen wollte.
    Aber natürlich blieb ihr im Moment keine andere Wahl. Und je eher sie den blöden Eid ablegte, desto schneller würde sie auch einen schönen, fetten Scheck einstreichen. Auf dem Nachhauseweg konnte sie ihn gleich in den Nachtbriefkasten der Bank werfen.
    Eine Bewegung zu ihrer Linken riss sie aus ihren Gedanken und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Zeremonie. Die Ältesten hatten begonnen, eine Linie aus Salz zu ziehen, und murmelten Worte der Macht, während sie gemessen im Uhrzeigersinn voranschritten. Lauren lehnte sich außerhalb des Kreises gegen die Wand und sah mit verschränkten Armen, einen Fuß vor den anderen gestellt, zu. Chess’ Haut kribbelte vor Ärger.
    Eigentlich war es nicht ungewöhnlich, dass ihr Menschen auf den ersten Blick unsympathisch waren. Schließlich war ihr so ziemlich jeder unsympathisch. Aber normalerweise war sie nicht gezwungen, mit diesen Leuten auch noch zusammenzuarbeiten. Sie fühlte sich ... bedrängt.
    Andererseits hatte sie niemand gezwungen, den Fall anzunehmen. Nein, gezwungen nicht. Aber bestochen. Und sie ließ sich bestechen, weil sie das Geld brauchte.
    Hinter den Ältesten ging die Salzlinie in leuchtenden purpurnen Flammen auf, die leise zischten, als sie mit breiten Zungen emporleckten und die Umgebung in farbiges Licht tauchten. Die weißen Strümpfe der Männer leuchteten auf, ebenso wie ihre Gesichter. Das fahle Haar des Ältesten. Griffin stand von seinem Kopf ab wie ein greller violetter Strahlenkranz. Chess’ Augen begannen zu tränen.
    Aber nicht nur ihre Augen brannten. Die Energie schwirrte und wirbelte um sie herum und pochte gegen ihre Haut. Der Machtstrudel ergriff sie, umtoste sie, nahm sie gefangen und kehrte ihr Innerstes nach außen. Sie
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