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Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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wollte er sein sportliches Aussehen lieber noch eine Weile bewahren. Natürlich würde es irgendwann nachlassen, aber bis vierzig hatte er immerhin noch ein paar Jährchen.
    Die Kinder auf dem Hof trugen dicke Winteroveralls und wirkten ungelenk und ein bisschen kugelig. Der Winter war ungewöhnlich warm gewesen, aber jetzt war es kalt draußen, und unter den bunten Wollmützen blitzten gerötete, glänzende Wangen auf. Freyr konnte sich gut vorstellen, dass dieses Ereignis vermehrte Arztbesuche nach sich ziehen würde; eine Grippe war bereits im Umlauf und eine Mittelohrentzündung im Anzug. Wenn die Kinder erst reindurften, wenn alles aufgeräumt war, würden sie wohl den Rest des Tages draußen verbringen müssen.
    »Wann dürfen die armen Kinder denn wieder rein?«, fragte Freyr und beobachtete, wie ein Mädchen hinfiel, weil es gegen den Sandkasten gelaufen war.
    »Wenn wir fertig sind.« Dagný machte weitere Fotos. Der Blitz in der Fensterscheibe zeigte, dass sie zu den billigen Bücherregalen gegangen war, die wie Strandgut auf ihrem ursprünglichen Inhalt verteilt lagen. »Es dauert nicht mehr allzu lange, wir haben von den meisten Dingen, die der Randalierer angefasst haben könnte, Fingerabdrücke genommen, aber ich glaube nicht, dass viel dabei rauskommt. Hier ist jeder Quadratzentimeter mit Fingerabdrücken übersät. Eigentlich ist es unmöglich rauszufinden, welche zum Täter gehören.«
    Freyr schwieg und beobachtete die Kinder. Wenn er die Augen zusammenkniff, konnte er sich um ein paar Jahre zurückversetzen und sich vorstellen, dass dies der Spielplatz seines Sohnes war. Eines der Kinder hätte sein Sohn sein können, es gab mehrere Jungs, die sich genauso bewegten wie er als kleines Kind, und da sie so dick eingepackt waren, konnte man sich leicht etwas vormachen. Es war schmerzhaft, die Traumwelt wieder zu verlassen und sich der kalten Realität zuzuwenden, in der sein Sohn keine Rolle mehr spielte.
    Die Tür ging auf, und Veigar, der ältere Polizist, der mit Dagný zum Tatort gefahren war, kam herein. »Und wie läuft’s hier?« Er schaute sich kopfschüttelnd um. »Was für eine Schweinerei.« Veigar war es gewohnt, mit Dagný zusammenzuarbeiten, und störte sich nicht daran, dass sie nicht antwortete. Anstatt die Frage noch einmal zu wiederholen oder sich über sie zu ärgern, wandte er sich an Freyr: »Hast du den Fall schon für uns gelöst, Doc?«
    Freyr riss sich vom Fenster los und erwiderte Veigars Lächeln. »Nein, noch nicht, aber den Spuren nach zu urteilen, war da ein ziemlich kranker Mensch am Werk.«
    »Ja, man braucht keinen Spezialisten aus Reykjavík, um das zu sehen.« Veigar bückte sich und hob ein verbogenes Stuhlbein auf. »Wie macht man so was eigentlich? Mir ist wirklich egal, warum dieser Idiot es gemacht hat, ich will nur wissen, wie er es gemacht hat.«
    »Ist denn irgendwas verschont geblieben?« Freyr hatte zwar nur den Saal begutachtet, aber auf dem Weg dorthin natürlich einiges gesehen. Die Kindergarderobe am Eingang war demoliert, die Kleiderhaken und die Regale aus der Wand gerissen.
    »Nicht viel, in der Küche sieht es auch schlimm aus.«
    »Aber das hier ist die einzige Botschaft?«
    Veigar kratzte sich am Kopf. »Ja, vielleicht wollte er noch mehr schreiben und hatte keine Zeit mehr dazu. Der Typ muss völlig fertig gewesen sein, nachdem er sich so verausgabt hatte.«
    »Wir wissen nicht, ob es ein Mann oder eine Frau war.« Dagný schaute nicht auf, während sie damit kämpfte, die Kamera in einer schwarzen Tasche zu verstauen. »Könnten auch zwei oder mehrere gewesen sein. Einer alleine würde das kaum schaffen, auch wenn er das ganze Wochenende Zeit hatte.«
    »Er hat sich jedenfalls ganz schön ins Zeug gelegt.« Freyr stieß mit dem Fuß gegen einen Berg mit Eisenbahnschienen aus Holz; der dazugehörige Zug war zerschmettert worden. »Hat denn niemand was bemerkt? Nachbarn oder Passanten? Das muss doch ziemlich laut gewesen sein.«
    »Nicht, dass wir wüssten. Wir haben noch nicht alle Nachbarn erreicht, aber die, mit denen wir gesprochen haben, haben nichts gehört oder es zumindest nicht mit dem Einbruch in Verbindung gebracht. Das Grundstück ist ja ziemlich groß und weit vom nächsten Haus entfernt«, antwortete Veigar.
    Eine rote Plastikschaufel flog gegen das Fenster, vor dem Freyr gestanden hatte. Verwundert schauten sie auf. »Den armen Kindern wird es da draußen langsam langweilig«, sagte Veigar. »Wenn sie nicht bald reindürfen, müssen
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