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Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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war vorüber, nun ließ sich nichts mehr ändern, und es war natürlich auch viel zu spät, um jetzt noch einen Aufstand zu machen. Sie wusste genau, dass sie selbst schuld daran war, dass sie sich auf diesen Unfug eingelassen hatte. Schließlich hatte sie zahllose Gelegenheiten, zu protestieren oder den Plan zu ändern, verstreichen lassen. Sie hätte zum Beispiel vorschlagen können, ihren Anteil an der Hütte abzutreten oder mit der Renovierung bis nächsten Sommer zu warten, wenn das Boot wieder nach regelmäßigem Fahrplan fuhr. Plötzlich spürte Katrín einen kalten Windzug und zog ihren Anorak fester zu. Die ganze Sache war völlig absurd.
    Schuld war jedoch letztendlich nicht ihre eigene Lethargie, sondern die Euphorie von Einar, Garðars bestem Freund und Lífs kürzlich verstorbenem Mann. Jetzt, da er nicht mehr unter ihnen weilte, konnte man kaum noch auf ihn wütend sein, aber Katrín war klar, dass er die größte Verantwortung für diese verrückte Idee trug. Einar hatte vor zwei Jahren im Sommer eine Wanderung in Hornstrandir gemacht und kannte Hesteyri, wo das Haus stand, ein bisschen. Er hatte ihnen von dem Dorf am Ende der Welt vorgeschwärmt, von der Schönheit und der Ruhe und den endlosen Wanderwegen an unbeschreibliche Orte. Garðar war nicht aus Liebe zur Natur auf die Idee angesprungen, sondern weil Einar in Hesteyri keine Übernachtungsmöglichkeit mehr gefunden hatte, da das Gästehaus überfüllt gewesen war. Katrín wusste nicht mehr, wer von ihnen dann vorgeschlagen hatte, mal abzuchecken, ob nicht eines der anderen Häuser zum Verkauf stünde und sich in ein Gästehaus umwandeln ließ – jedenfalls war die Idee geboren, und es gab keinen Weg mehr zurück. Garðar war zu dem Zeitpunkt schon seit acht Monaten arbeitslos, und der Gedanke, endlich wieder etwas Vernünftiges zu machen, reizte ihn. Sein Eifer wurde angestachelt, weil Einar unbedingt mitmachen und seine Arbeitskraft und sein Geld beisteuern wollte. Líf hatte die beiden auf ihre übliche unbekümmerte Art mit hochtönenden Kommentaren, was für eine großartige Idee das sei, angespornt. Katrín musste daran denken, dass ihr Lífs Einmischung auf die Nerven gegangen war und sie die Freundin verdächtigt hatte, auf diese Weise ihren Ehemann loswerden zu wollen – Einar würde ewige Zeiten im hohen Norden verbringen, um das Haus zu renovieren. Ihre Ehe hatte damals ziemlich angespannt gewirkt, doch als Einar starb, fiel Líf in eine bodenlose Trauer. Ein hässlicher Gedanke schoss Katrín durch den Kopf: dass es besser gewesen wäre, wenn Einar vor dem Kauf des Hauses gestorben wäre. Aber das war nun mal nicht der Fall, sie hatten die Immobilie am Hals und nur noch einen Kerl, der unbedingt renovieren wollte, anstatt zwei. Líf wollte die Rolle ihres Mannes übernehmen und die Instandsetzung des Hauses in Hesteyri vorantreiben, was zweifellos mit ihrer Trauer zusammenhing – jedenfalls war sie alles andere als handwerklich begabt oder fleißig. Wenn Líf einen Rückzieher gemacht hätte, wäre das Haus wieder verkauft worden, und sie würden jetzt zu Hause vor dem Fernseher sitzen, in der Geborgenheit der Stadt, wo die Nacht niemals so schwarz wurde wie in Hesteyri.
    Als sich herausgestellt hatte, dass das Projekt mit Einar nicht gestorben war, waren Líf und Garðar übers Wochenende in die Westfjorde gereist und mit dem Boot von Ísafjörður nach Hesteyri gefahren, um das Haus zu besichtigen. Dass es in einem ziemlich schlechten Zustand war, tat Garðars und Lífs Eifer keinen Abbruch. Sie kehrten mit massenhaft Fotos von jeder Ecke und jedem Winkel des Hauses nach Reykjavík zurück, und Garðar fing sofort an zu planen, was vor Beginn der Sommersaison zu tun sei. Den Fotos nach zu urteilen schien das Haus nur noch durch den Anstrich zusammengehalten zu werden, obwohl Garðar beteuerte, der Vorbesitzer hätte sämtliche Arbeiten abgeschlossen, für die man Fachkenntnisse benötigte. Und Líf beschrieb andächtig die landschaftliche Schönheit der Umgebung. Anschließend machte Garðar umfangreiche Kalkulationen und erhöhte bei jedem Öffnen seiner Excel-Datei den Übernachtungspreis und die Anzahl der Schlafplätze in dem kleinen, zweistöckigen Haus. Katrín war neugierig, das Prunkstück mit eigenen Augen zu sehen und eine Vorstellung davon zu bekommen, wie Garðar die vielen Gäste hineinquetschen wollte.
    Sie stand auf, konnte das Haus von ihrem Platz an Deck aber nicht ausmachen. Dem Übersichtsfoto nach, das
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