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Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Titel: Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co
Autoren: Douwe Draaisma
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einzuordnen ist. Daraufhin müsste ein Fachkollege mit Autorität - oder eine Kommission - den Vorschlag machen, den Namen des Autors mit der Störung zu verbinden. Und erst wenn die wissenschaftliche Gemeinschaft sich tatsächlich nach und nach dieses Namens bedient, wäre der Geschichte der Hirnforschung ein neuer >Entdecker< hinzuzufügen. Dies alles liegt außerhalb der Reichweite eines Werksstudenten. Bonnet selbst hätte heute übrigens auch keinerlei Chancen. Ihr Großvater, sagten Sie? Was hat er gesehen?
    Sprachwissenschaftlich betrachtet ist das >Bonnet-Syndrom< ein Eponym - ein Eigenname, der zu einem Gattungsnamen geworden ist. Der Namensgeber gibt stets seinen Vornamen auf, und bei den bekanntesten Eponymen - Alzheimer, Parkinson, Korsakow, Asperger - ist es noch nicht einmal mehr erforderlich, >Krankheit< oder >Syndrom< hinzuzufügen. Aber nicht nur die Vornamen verschwinden dabei. Nach einiger Zeit verflüchtigt sich auch der Rest: die Erinnerung an ihr Leben und die Umstände ihrer Entdeckungen.
    Zwischen September 2004 und Januar 2006 bot mir das AMC-Magazine, die Zeitschrift des Academisch Medisch Centrum der Universität Amsterdam, die Gelegenheit, aus einem guten Dutzend Eponymen der Hirnforschung wieder etwas mehr als Namen zu machen. Es war ein Vergnügen, diese Serie zu schreiben, und ein noch größeres, den Namenspatronen in einem Buch den Platz einzuräumen, den sie verdienen.
    Warum aber Eponyme? Und warum gerade diese? Dafür gibt es zwar gute Gründe, aber gute Gründe bilden nicht immer das ursprüngliche Motiv. Anfangs war es reine Neugier: Wer waren diese Menschen? Was trieb sie bei ihren Entdeckungen? Als ich mich in ihre Lebensgeschichten vertiefte, tauchten noch weitere Fragen auf: Wer hatte dafür gesorgt, dass sie Pate standen? Stimmt das heutige Tourette-Syndrom noch mit der Störung überein, die Gilles de la Tourette seinerzeit beschrieb? Gab es Parkinson schon vor Parkinson? In welcher Form existierte die Alzheimer-Krankheit, bevor der Neuropathologe Alzheimer seinen Kollegen berichtete, was er im Gehirn der Auguste D. vorgefunden hatte? Warum hat man die Störung, die der Wiener Kinderarzt Hans Asperger 1944 beschrieb, nicht früher entdeckt, während doch alles darauf hinweist, dass es immer Menschen mit den Verhaltensabweichungen gegeben hat, die man heute als >Asperger< bezeichnet? Wie ist es möglich, dass Asperger selbst erst 1981 entdeckt wurde - ein Jahr nach seinem Tod - und sein ursprünglicher Artikel von so gut wie niemandem zur Kenntnis genommen wurde?
    Die oben erwähnten guten Gründe haben mit der zentralen Stellung zu tun, die Eponyme im Wissenschaftsbetrieb einnehmen: Eponyme sind Teil der Prozesse, die in der Wissenschaft Ruhm und Anerkennung regulieren. Mit einem Eponym, schrieb der Wissenschaftssoziologe Robert Merton, hinterlassen Wissenschaftler in der Geschichte »eine unauslöschliche Unterschrift; ihre Namen werden in alle wissenschaftlichen Sprachen der Welt aufgenommen.« 1
    Hoch am Firmament leuchten Eponyme wie die Newtonsche Physik, die Euklidische Geometrie oder das Kopernikanische System. Die nächste Staffel bildet eine lange Reihe von >Vätern< der Wissenschaften, Disziplinen oder Spezialgebiete: Bernoulli, >Vater der mathematischen Physik<, Wundt, >Vater der experimentellen Psychologien Hughlings Jackson, >Vater der britischen Neurologie<. Viele dieser >Väter< - Mertons Text stammt noch aus der Zeit vor den >Müttern< - leben außerdem noch in >normalen< Eponymen weiter, etwa in dem Gesetz von Bernoulli oder der Jackson-Epilepsie. Buchstäblich alles Existierende, in welcher Form auch immer, eignet sich als Namensempfänger: Thesen, Pflanzen, Gesetze, Hypothesen, Einteilungen, Instrumente, Tests, Meeresengen, Kometen, Krater auf fernen Planeten, Skalen, Effekte, Klassifikationen, Beweise, visuelle Illusionen.
    Mediziner haben sich im Laufe der Jahrhunderte mit buchstäblich Tausenden von Eponymen geehrt. Es gibt Eponyme für Körperteile, Operationen, Symptome, Reflexe, Krankheiten, Syndrome, Instrumente, Tests, Reaktionen. 2 Eine sehr umfangreiche Liste mit medizinischen Eponymen findet sich auf der Seite www.whonamedit.com . Zurzeit - im Juli 2007 - umfasst diese Seite 7949 Eponyme und Beschreibungen von 3133 Personen. Die Seite ist auf Englisch verfasst und möglicherweise ein wenig zugunsten der angelsächsischen Forschung verschoben, aber schon allein aus dem Umfang sind ein paar interessante Schlussfolgerungen zu ziehen. Mediziner,
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