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Geisel der Leidenschaft

Titel: Geisel der Leidenschaft
Autoren: Heather Graham
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aushungern können.
    Vor nunmehr fast einem Jahr, in Stirling Bridge, hatten sich die Schotten - Arme und Reiche, Bauern und Kaufleute - der englischen Übermacht gestellt und triumphiert. Seit jenem wundervollen Sieg hatte Schottland seine Freiheit genossen. Andrew de Moray, der große Baron aus dem Norden, war kurz nach der Schlacht gestorben, tödlich verwundet. Bis zur letzten Minute hatte Sir William Wallace den Namen des Freundes in der offiziellen Korrespondenz am Leben erhalten und als Verwalter Schottlands regiert - mächtig genug, um die Welle des Blutvergießens nach England zu jagen, York zu zerstören und seinen Anhängern etwas unglaublich Kostbares zu schenken - Stolz.
    Stolz, der sich jetzt in Dummheit verwandelt hatte.
    »Vorsicht!«, mahnte der alte MacCaffery.
    Gerade noch rechtzeitig drehte sich Brendan um. Ein Ritter in voller Rüstung und in den Farben des Hauses York stürmte auf ihn zu. Verzweifelt schwang Brendan seine Waffe und zielte auf den Hals des Gegners. Für Sekunden schien die Zeit stillzustehen, als der Engländer nach seiner Kehle griff. Zwischen den Fingern quoll Blut hervor, dann sank er in den Morast. Sofort galoppierte ein anderer Ritter heran und Brendan hob erneut sein Schwert.
    In Hawk's Cairn hatte er zum ersten Mal den Hass der Feinde gespürt, ohne Talent und Erfahrung gekämpft und nur überlebt, weil er auf dem Schlachtfeld liegen geblieben war - scheinbar tödlich verletzt. Mit der Zeit hatte er gelernt, erfolgreich zu kämpfen, seinen Verstand zu nutzen, zu siegen. Und plötzlich wusste er, was dieser Tag bedeutete - hier würde er das bittere Leid der Niederlage erfahren.
    Aber er war nicht gewillt, dies hinzunehmen. Ebenso wenig wie der alte MacCaffery, der sich trotz seiner blutenden Wunde erhob und sein Schwert zückte. Immer wieder. Zu ihren Füßen färbte sich der Schlamm rot.
    Als Brendan einen Schrei hörte, fuhr er herum. Sein Verwandter, John Graham, war aus dem Sattel gestürzt und lag am Boden, umringt von seinen Männern, die ihn in Sicherheit bringen wollten.
    »Lauf zu ihm, mein Junge«, rief MacCaffery, »ich gebe dir Rückendeckung!« Mochte er auch halb tot sein, kein anderer würde ihn wirksamer schützen. Brendan kniete neben John nieder, sah die Wunde im Hals, hörte das Rasseln des Todes in den Lungen.
    »Um Himmel willen, John!« Er versuchte ihn hochzuheben, aber John stemmte eine blutige Hand gegen seine Brust.
    »Du musst fliehen, Brendan, mit diesen Männern! Soeben haben sie Wallace weggetragen ...«
    »Nein, ich verlasse dich nicht, ich trage dich in den Wald ...«
    »Ich bin so gut wie tot, und dir fehlt die Zeit, um eine Leiche zu retten.«
    »John ...«
    »Denk an Schottland und ergreif die Flucht! Diese Schlacht ist verloren - so viel ist verloren. Aber die Hoffnung lebt in deinem Herzen weiter. Lauf weg!« Verzweifelt umklammerte Brendan die Hand seines Verwandten, die den Druck nicht erwiderte.
    Nach einer Weile erhob er sich langsam. Er stand inmitten zahlloser Leichen, sah den alten MacCaffery taumeln und zu Boden sinken. Unbeugsam bis zum letzten Atemzug, starb er als freier Mann.
    Und die Engländer rückten immer noch vor. Viele hundert Reiter. Doch die Pferde strauchelten im blutigen Schlamm, stolperten über die Toten. Ein Ritter stieg ab und eilte zu dem jungen Feind. Da stieß Brendan einen ohrenbetäubenden Schrei aus, den Kriegsruf der Schotten, der zum Himmel emporzusteigen schien und sogar die hartgesottenen, kampferprobten Engländer zögern ließ.
    Dann stürmte er vor und schwang sein Schwert mit der Kraft seines Zorns, seines tiefen Kummers. Reihenweise brachen die Engländer zusammen, die meisten mit einem einzigen Streich niedergestreckt. Gnadenlos durchbohrte er ihre Kehlen. John war tot, der alte MacCaffery war tot - überall lagen Leichen und die verhassten Engländer galoppierten immer noch auf ihn zu.
    Viel zu viele.
    Aber er kämpfte nicht mehr allein. Als er einen Blick zur Seite warf, sah er die Farben und das Emblem seiner Familie. Sein Vetter Arryn war auf das Schlachtfeld geritten. Gemeinsam eilten sie durch die Schatten des Todes. In der Sonne glänzte blutroter Stahl.
    Blut und Dunstschleier. Wer Freund oder Feind war ließ sich kaum noch erkennen. Schlamm verdeckte die Wappen auf den Rüstungen. Die Farben der schottischen Kilts waren noch schwerer zu unterscheiden.
    Nach einer kurzen Atempause tauchten weitere Engländer am Horizont auf, in schimmernden Rüstungen. Ein faszinierender Anblick.
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