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Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition)
Autoren: Peter J. Kraus
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schroffen Klippen des Big Sur und der aus dem Nordwesten anrollenden Brandung ständig durch feinstgemahlene Flusssteine aufgefüllt, und ist wegen seiner gewaltigen Ausdehnung doch nie überfüllt. Jeder hat hier Platz, viel Platz. Sogar auf seinen mittleren drei oder vier Kilometern, wo der Autoverkehr erlaubt und Camping der bevorzugte Wohnstil ist, findet der Strandbenutzer himmlische Stille im Dünengelände, das sich eine Meile ins Landesinnere zieht.
     
    Ein Wahnsinnsstrand. Seit mein abgesoffener Alter meiner Mutter die Familienvilla am Hang, seiner Jungbuhle eine schicke Stadtwohnung in Hollywood und mir die Strandhütte hinterließ wohne ich hier, direkt am Wasser. Was meinen noblen Nachbarn ganz schön stinkt. Weil die alle ihre Milliondollarbuden haben, zweistöckige Neubauten auf handtuchgroßen Grundstückchen, und ich bin das letzte Überbleibsel der Sechziger.
    Damals wohnte der feine Maxe so weit weg vom Meer wie möglich, wegen der ungesunden, feuchten Luft. Also hausten hier in den Dünen nur mein surfverrückter Alter, stinkfaules, kiffendes Hippiepack und mexikanische Feldarbeiter, die für eine anständige Bleibe zu arm waren. Inzwischen haben sich ja die Wohntrends grundlegend geändert, und meine ehemaligen Nachbarn haben alle frohgemut verkauft und sich schleunigst mit der vielen Kohle verpisst, aber ich will hier nicht weg.
    Nun steht mein im Maklerjargon mobile home genannter Wohnanhänger mitten auf einem riesigen Grundstück, durch Ziegelsteinsäulen unter beiden Achsen immobil gemacht und durch angebaute Holzverschläge auf Kleinvillenmaß gebracht, mit Wellblechgarage zur Linken und einem hübschen Eukalyptuswäldchen hinter der bescheidenen Bude, wo der städtische Golfplatz angrenzt. Bevorzugte Wohnlage, also.
    Der Herr Papa hat durch das Hinzufügen eines weiß gestrichenen Lattenzaunes seinem damaligen Liebesnest eine Art amerikanische Respektabilität verschaffen wollen. Das ist schon ewig her, der Zaun wird immer schiefer und ist schon lange zu seiner Naturfarbe zurückgekehrt, und wenn irgendwo Latten herausfallen oder von Testosteronikern als Schlagwaffe gebraucht werden, ersetze ich sie nicht. Stattdessen pflanze ich kleine rot blühende Bougainvilleasträuche in die Lücken, was ohnehin hübscher als ein alter Bretterzaun ist.
    Der Zaun ist nunmehr gedachte Demarkationslinie, heißt nur noch Zaun. Im Laufe der Zeit mutiert er zur Hecke.
     
    Ich hielt ihr das Fliegengitter auf und versuchte höflich, mit dem Fuß die Tür sanft aufzustoßen, aber das ging in die Hose. Die Rückholfeder oben am Türrahmen ist schon lange kaputt, also flog die aluminiumverstärkte Holztür auf, knallte gegen den Kühlschrank und sauste wieder zu. Sie guckte blöderweise mich an statt geradeaus, als sie über die Schwelle trat. Der Knall tat selbst mir weh.
    Erst plumpste sie hin wie eine fadenamputierte Marionette, dann ging´s los. Arschloch und blöder Hund, Schwein, gemein und absichtlich. Sie warf mir alles vor, nannte mich, was ihrem stressgeschädigten Hirn gerade einfiel und heulte dabei. Was mir ja leid tat. Ich habe nun mal ein weiches Herz, und wenn irgendwo Tränen kommen, bin ich der erste, der tröstend umarmt. Ich kniete mich neben sie, wollte sie in den Arm nehmen, aber das versaute die Stimmung vollends.
    „Mir reicht´s, hörst du? Ich habe von dir die Schnauze voll“, giftete sie. „Nichts will ich mit dir mehr zu tun haben, gar nichts. Lass mich hier raus, ich will weg, und dass dir ja nicht einfällt, mich anzurufen. Jetzt langt´s endgültig. Ich dämliche Kuh lasse mir auch alles gefallen, sogar von einem Arschloch wie dir.“
    Total weggetreten, die Alte. Die hieß im Dorf nicht umsonst Paranoia Patty. Vor lauter Schnaps und Schnee sieht die hinter jedem Baum einen lauern, sieht in jeder Geste einen Angriff und hält mich für ihren ärgsten Feind, wenn ich sie nicht gerade bumse. Selbst dann, meine ich manchmal.
     
    Patty wankte über meinen Hof, hielt sich die Stirn und keifte. Zum Glück hatte ich die Tüte mit den Getränken getragen. Ich stellte sie auf den Tisch und kickte noch mal die Tür zu. Diesmal krachte sie richtig satt ins Schloss.
     
    Die Küche in meiner Bude ist ziemlich beengt, was mich noch nie gestört hat, denn ich koche kaum. Nur die gelegentlichen Pfannkuchen zum Frühstück oder mal eine Suppe oder so. Nichts Gewaltiges. Nun setzte ich einen Topf Chili auf, das ich schon vor einer Woche auf dem Holzkohlengrill draußen zusammengebrutzelt
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