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Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition)
Autoren: Peter J. Kraus
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Augen schlug mir im Vorbeigehen freundlich die Hand auf die Schulter und sprach: „Bis dann. Alles Gute, Alter.“
    Ich dankte und machte hinter ihm die Tür zu. Wie würden seine Augen erst flackern wenn er die Blutspritzer auf seinem hübschen weißen Hemd sieht?
     
    Dann knackte ich erst mal eine Dose, setzte sie an und trank sie in einem Zug leer.
     

3 Rocking and Rolling
     
     
    Am liebsten wäre ich ja zu Hause geblieben, hätte mich mit ein paar Bierchen und einer selbst gedrehten vom Erlebten erholt, aber am Sonnabend beginnt meine Schicht um halb zehn. Also ging ich zum Abendessen und spazierte anschließend zum Sender. Der ist mitten in der Stadt, an der Pier Avenue im obersten Stockwerk des Pismo Shores Hotel.
    Zum Glück hat das Shores eine einigermaßen ordentlich bestückte Hausbar – da dürfen laut Verordnung zwar nur Hotelgäste und Betriebsangehörige rein, aber wir vom Sender gelten bei denen scheinbar auch als Personal. Das hilft, die einsamen Abende vorm Mikrofon zu versüßen.
    Ich setzte mich ins Musikarchiv und begann, die erste Stunde meiner Sendung zusammenzustellen. Mir lassen sie Narrenfreiheit; ich brauche mich nicht ans Idiotenformat halten, an die kurze Playlist und die vom computergesteuerten Zufallsgenerator gemixte Reihenfolge der 1800 Titel, aus denen unser Musikprogramm besteht.
    Seit bald zwanzig Jahren mache ich hier in der Gegend schon Rocksendungen, und da habe ich mir meinen Hörerstamm aufgebaut. Deshalb, und weil ich prinzipiell nur am Wochenende oder nachts arbeiten will, darf ich so ziemlich spielen, wonach mir gerade ist. Haut hin - meine zwölf Werbeminuten pro Stunde sind immer ausverkauft, und zu ordentlichen Preisen. Nur darauf kommt´s meinem Boss an. Alles andere kratzt den nicht.
     
    Er kam denn auch ausgerechnet mitten in der Zusammenstellung rein. Erst Bauch, dann Nase. Curt Cremer, Esquire. Was so viel wie Doctor Juris heißt. Behauptet er. Der Boss war nämlich mal ein ziemlich ausgefuchster Anwalt hier in der Stadt, einer, den man lieber auf seiner Seite hatte, hieß es. Ließ keinen Trick aus, kannte jeden Dreh und scheute sich nicht vor harten Bandagen. Ein Anwalt eben, einer, der nur Sieg oder Niederlage kennt.
    Vor drei Jahren saß einer seiner Klienten tief in der Scheiße, hatte einen gewaltigen Drogenprozess am Hals und kein Geld – aber einen Radiosender, der wegen seiner Kokserei schon ewig am Rande der Pleite dahinwurstelte. Bei dem ich, wie´s der Zufall will, beschäftigt war, was meines Erachtens weder mit drohender Pleite noch Drogen was zu tun hatte, aber die Leute reden halt.
    Jedenfalls ließ sich der Jurist sicherheitshalber den Sender abtreten, ehe er meinen damaligen Boss vor Gericht vertrat. Der fünf Jahre bekam, lange genug, um nicht mit ansehen zu müssen, wie sein geliebter UKW-Rocker KPIS 94.7 („PIS – up and down the Central Coast“) vollends vor die Hunde ging. Nicht finanziell – der Firma ging´s nie besser. Sondern kulturell.
    Aus einem hippen Modemacher, einem mutigen Musiksender wurde verpoppter Dudelfunk, eine Top-40-Musikbox, die mit Seichtem die Pausen zwischen Werbeblöcken füllte. Aber der Rubel rollte.
    Weshalb erst mal die eingeführten Erkennungsbuchstaben weg mussten, durch das nichtssagende KPIR 94.7 („Pismo´s Pier“) ersetzt wurden und sich mein neuer Chef zunehmend aus dem Anwaltsbusiness löste und dem Entertainmentbusiness zuwandte. Weil da nicht nur sehr ordentliches Geld zu verdienen war, sondern auch allerlei nebenher abfiel. Blondinen, zum Beispiel, die sein Hobby waren. Blondchen, denen der Dicke stundenlang was vom Unterhaltungsgewerbe vorfaseln durfte, wenn er nur seine angeblichen Hollywoodverbindungen spielen ließ. Mit so was ging der hausieren, und die fielen reihenweise darauf rein.
    Kein Wunder, dass die Leute Blondinenwitze machen.
     
    „Mein lieber Mister Gutman! Schön, dass Sie auch schon da sind. Ich habe mich gefragt, ob Sie unseren Provinzsender überhaupt noch mit Ihrem Talent beehren werden, nach ihrem viel publizierten Strandfund.“
    Er strahlte richtig.
    „Aber nun sind sie ja im Studio, Gottseidank! Wie schön.“ Curtchen ließ sich in den alten Rosshaarsessel plumpsen, der offiziell als „Aufenthaltsraummobiliar“ gilt und als Teil der Personalnebenkosten jährlich wieder zum vollen Wert abgeschrieben wird, wie unser Buchhalter mir mal ins Ohr flüsterte, als er besoffen an der Bar im Gerry´s hing.
    „Boss?“ grüßte ich, von der Störung nicht gerade
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