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Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition)
Autoren: Peter J. Kraus
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Fragen stellen.“
    Wozu dann der Terror? Ich habe mir seit Jahren nichts mehr in die Nase gesteckt, vor gut zehn Jahren das letzte Fetzchen geladenes Löschpapier unter die Zunge gelegt und seit meiner Collegezeit nicht mehr gedealt. Wegen Gras schicken die mir doch nicht die ganze Infanterie ins Haus. Oder?
    „Wir sind nicht wegen Ihrer alten Dealerei hier, falls Sie das meinen. Kleine Fische“, sprach der gut Gekleidete wegwerfend und lächelte richtig freundlich.
    Woher wissen die? Ich fragte erst mal: „Wass´n für ´ne Dealerei?“ Vorsichtshalber. Und hatte – batsch! – schon wieder eine sitzen. Diesmal von dem Schicken. Der ganz erstaunt auf seine eigenmächtige Hand schaute und sie dann wie ein lebloses Objekt in die Hosentasche schob.
    “Sondern wegen Ihres Strandabenteuers“, fuhr er fort, als habe er sich nicht selbst unterbrochen. Mit geübtem Griff versicherte er sich des genauen Sitzes seines Windsorknotens.
    Einen solchen Fatzke sah ich zuletzt in den Neunzigern. Weinroter Seidenschlips mit bunter Jerry Garcia-Zeichnung, schneeweißes Hemd mit steifem Kragen. Militärisch kurzes, gescheiteltes Blondhaar. Ganz offensichtlich ein WASP, ein White Anglo-Saxon Protestant, und stolz darauf.
    „Als Sie über einen dicken, toten Herrn stolperten. Und die Polizei anriefen.“
    Ich bin nicht gestolpert, Herrgott noch mal. Aber was sollte ich dem das erzählen. Nachher haut der mir noch mal eine.
    „Ach so. Ja, klar.“ Nichts war klar.
    „Und Detektiv VanDeKamp alles erzählten, den ganzen Ablauf, richtig?“
    „Klar.“ Was war den los? Sonst hatte ich einen größeren Wortschatz.
    „Bis auf eine Kleinigkeit. Stimmt´s?“
    „Wieso?“ Und schon wieder. Das tat weh, wenn der so draufschlug. Auf die gleiche Stelle. Rechte Backe.
    Als ich die Hand wegzog, sah ich Blut. Von der Rolle hinter mir zog ich ein Blatt Küchenpapier, riss ein Stück ab und stopfte es ins blutende Nasenloch. Mit dem Rest tupfte ich Backe und Bart. Beide färbten das Papier rot. Blut, besonders eigenes Blut, regt mich immer furchtbar auf.
    „Schluss jetzt. Ich rufe die Bullen an. Ihr könnt mich doch nicht in meiner eigenen Bude herumschlagen.“ Hörte sich mit blutender Nase seltsam an. Wie einer beim Zahnarzt.
     
    Mein Peiniger grinste und meinte, sie seien die Bullen. Ätsch.
     
    Der Indianer und sein ruhiger Freund griffen zu und schubsten mich gegen den Küchenschrank.
    „Was hast du mit der Telefonnummer gemacht?“ zischte Indianer-Johnny. Er stank nach Knoblauch, Unterarm und schlecht geputzten Zähnen.
    Ich hatte dazugelernt. „Die ich dem Typ aus der Hosentasche nahm?“
    „Na, also!“ Alle drei strahlten, ganz besonders Johnny mit dem Mundgeruch, der einem Maulesel ähnelte, als er die Lippen über die Zähne zog und heftig nickte. „Genau die – die du dem Typ aus der Hosentasche genommen und dem Detektiv verschwiegen hast. Und angerufen hast du sie – erzähl.“
    „Klar, hab ich angerufen. Da war ich besoffen und gelangweilt. Ging sowieso keiner dran. Nur ein Anrufbeantworter, der irgendwas von Menü faselte. Also hab ich das Notizheftchen weggeworfen. Und dem Bullen nichts gesagt, weil es unwichtig war. Der will doch von Restauranttelefonnummern nichts wissen. Außerdem ist Milton dämlich – der hätte mich höchstens mitgenommen und verhört.“ Stimmt ja auch. Was soll der Quatsch?
    „Wo hast du es hingeworfen?“
    „Hier. In den Korb. Muss noch drin sein.“
    Ich schob vorsichtig die Pfote des Indianers von meinem Hemd und ging zum Telefon. Im Papierkorb daneben lag das nun trockene, noch immer festverklebte Adressbüchlein mit dem losen Einband und der kaum lesbaren Telefonnummer auf einem seit langem nicht mehr geleerten Haufen Mist.
    Ich zog es heraus und reichte es dem Dicken. Der schaute es kurz an und schob es in seine Jackentasche. Er ging wortlos zur Tür hinaus. Der Indianer folgte, aber an der Tür drehte er sich um und hob den gelblichen Nikotinfinger.
    „Du hast uns nicht gesehen“, meinte er überdeutlich. “Wir waren nie hier. Dass du ja nichts herumquatschst und uns zwingst, wiederzukommen. Was nicht so freundlich wie heute ablaufen würde. Merke es dir“
    Dabei nickte er pausenlos, wie diese bunten, hölzernen Saufvögel aus den Siebzigern, die ab und zu in unseren Gebrauchtwarenläden auf der Main Street verkauft werden. Fehlte nur noch der rote Zylinder und das Wasserglas auf dem Bodenbrettchen vor ihm.
    Sein modischer Freund mit den erschreckend flackernden grünen
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