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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)
Autoren: Mary Hooper
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kann, und ich will es ganz richtig machen. Mutter sagte, ich soll dich hinbringen und es dir behutsam erklären, und dann liegt die Entscheidung ganz bei dir.«
    Grace antwortete nicht darauf. In ihrem Kopf überschlugen sich die Fragen.
    »Nachdem mein Vater gestorben war, wurde meine Mutter Hebamme, um irgendwie ihren Lebensunterhalt zu verdienen«, erzählte Violet, während sie an zwei zerlumpten Kindern vorbeigingen, die sich um einen Zigarrenstummel stritten. »Sie war eine der erstenFrauen, die diesen Beruf richtig erlernten. Hauptsächlich betreute sie Frauen zu Hause, aber zwei Tage pro Woche arbeitete sie auch im Berkeley House, um denen zu helfen, die weniger Glück im Leben hatten. Einmal erzählte sie mir, sie habe bestimmt um die tausend Babys zur Welt gebracht.«
    Grace nickte, darum bemüht, ruhig zu bleiben, um alles genau mitzubekommen, und nicht schon in Gedanken vorauszueilen.
    »Natürlich überlebte nicht jedes Baby, und auch manche Mütter starben – ein Kind zu gebären ist solch eine gefährliche Sache. Manche Frauen verloren gleich mehrere Kinder, bevor sie eines lebend zur Welt brachten. Eine bestimmte Frau verlor fünf Mal hintereinander ihr Baby, und beim letzten war sie so verzweifelt, dass ihr Mann befürchtete, sie würde den Verstand verlieren.«
    »Die Ärmste   … «, sagte Grace leise.
    Violet fuhr fort: »Tags darauf kam ein junges, unverheiratetes Mädchen ins Berkeley House. Sie war allein und hatte niemanden, keinen Beschützer und keine Familie, und wohnte in einem Elendsviertel. Sie hatte nichts vorbereitet für das Kind und kein Geld beiseitegelegt für die Bedürfnisse des Säuglings.«
    Sie schaute Grace forschend an. Grace schluckte und bedeutete ihr mit einem Nicken, fortzufahren.
    »Meine Mutter fürchtete, dass das Baby nicht lange überleben werde, denn obgleich es gesund zur Welt gekommen war, wog es nicht sehr viel und hatte einpaar kleinere Beschwerden, die man behandeln musste, was sich das Mädchen garantiert nicht leisten konnte. Wenn sie das Mädchen mit dem Säugling gehen ließ, dann, so empfand sie es, käme das fast einem Todesurteil für das Kind gleich. Und da   … da hat sie etwas getan, was sie nicht hätte tun sollen.«
    Grace, die zugleich fürchtete und ersehnte, was nun gleich kommen musste, stieß einen unterdrückten Schrei aus und blieb stehen, um Violet anzusehen.
    »Sie nahm das Baby und gab es der armen Frau, die schon fünf verloren hatte«, sagte Violet.
    »Nein!«, rief Grace heiser aus. »Das hätte sie nicht tun dürfen!«
    »Sie wusste, dass sie das eigentlich nicht durfte. Sie war sich bewusst, dass sie unrecht tat«, sagte Violet in flehendem Ton, »doch zum damaligen Zeitpunkt erschien es ihr als die beste und die richtige Entscheidung.« Sie blickte Grace an. »Dieses Baby hätte sonst sein erstes halbes Jahr nicht überlebt.«
    Grace stellte sich vor, wie sie mit einem Säugling auf dem Rücken durch die kalten Straßen gewandert wäre, ohne ein Bett, in das sie es nachts hätte legen können, mit nichts weiter zu essen den ganzen Tag als einem Stück Brotrinde. »Aber was ist mit dem armen Mädchen?«, fragte sie mit einem Schluchzer.
    »Ja, was ist mit dem armen Mädchen?«, wiederholte Violet seufzend. »Meine Mutter konnte es nicht vergessen. Immer wieder ging es ihr durch den Kopf. Als sie dann wusste, dass sie nicht mehr lange zuleben hatte, weil man bei ihr vor einigen Monaten Krebs diagnostiziert hatte, fing sie an, nach dem Mädchen zu suchen   … « Violet richtete den Blick auf Grace. »Nach
dir
zu suchen. Und da sie dich nicht ausfindig machen konnte, trug sie mir auf, weiterzusuchen.«
    »Sie hätte das nicht tun dürfen«, sagte Grace noch einmal flüsternd.
    »Nein, das hätte sie nicht«, sagte auch Violet.
    Sie gingen weiter, erreichten den Russel Square und bogen in eine Straße mit adretten, weiß gestrichenen Villen. Wilder Wein und andere Grünpflanzen rankten sich an den Fassaden empor. Violet bedeutete Grace, ihr auf einen kleinen Weg zwischen zwei Häusern zu folgen. »Sie war sich bewusst, dass es falsch war. Aber sie wollte, dass ich dich ausfindig mache und dir alles erzähle und dich dann selbst entscheiden lasse, was zu tun sei. Sie hat mir einen von ihr unterzeichneten und beglaubigten Brief hinterlassen, der auch vor Gericht standhalten würde. Du wärst damit in der Lage, dein Kind zurückzufordern, und ich habe ihr versprochen, dass ich dir dabei helfen werde, wenn du dies willst.«
    Mit
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