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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)
Autoren: Mary Hooper
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eines Löwenkopfs.
    Grace klopfte mit höchst gemischten Gefühlen an die Tür. Insgeheim hoffte sie, die Dame wäre vielleicht gerade ausgegangen – allerdings wäre dadurch nur etwas Unvermeidbares weiter hinausgeschoben worden. Außerdem, überlegte sie, wäre die Begegnung vielleicht eine gute Übung dafür, vor Gericht den Unwins gegenüberzutreten.
    Aus dem Haus war kein Geräusch zu hören, und nachdem Grace eine Weile gewartet hatte, wandte sie sich zum Gehen, ließ vorher allerdings den Klopfer doch noch einmal halbherzig gegen die Tür fallen. Während sie bereits das Gartentürchen ansteuerte, ging auf einmal doch noch die Tür auf, und zur beiderseitigen großen Überraschung sah Grace Miss Violet im Türrahmen stehen, die Angestellte aus dem Unwin-Trauerbekleidungshaus.
    »Miss Violet!«
    »Miss Grace!«
    Die beiden blickten einander fragend an, dann sprach Grace als Erste. »Aber es sind doch Geschäftszeiten. Bist du denn gar nicht im Laden?«
    »Das Geschäft ist für drei Tage geschlossen«, erklärte Violet. »Mr   Unwin ist   … «
    Grace nickte rasch. »Ja, ich habe es gehört.«
    Violet blickte sie neugierig an. »Und du   …?«
    Grace räusperte sich nervös. »Ich wollte eigentlich mit Mrs   Smith sprechen.«
    Violet nickte, doch ihr Gesicht wurde mit einem Mal traurig. »Mrs   Smith ist der Name, den meine Mutter manchmal verwendete.«
    Grace zögerte. »Ist sie gestorben?«, fragte sie leise, und erst da fiel ihr der Trauerflor an Violets Oberarm auf.
    Violet nickte erneut. »Vor einer Woche. Die Beerdigung war gestern, nur eine ganz kleine.«
    »Nicht bei den Unwins?«
    »Ganz bestimmt nicht bei den Unwins!«, erwiderte Violet heftig. »Nur weil ich dort arbeite, heißt das nicht, dass mir deren Art gefällt. Allerdings bin ich nun sehr neugierig, weshalb du meine Mutter sprechen wolltest.«
    Grace machte mehrere Anläufe, brach jedoch jedes Mal wieder ab. Während dieser Versuche führte Violet sie in ein kleines Wohnzimmer und bat sie, sich zu setzen und eine Tasse Tee zu trinken.
    »Offenbar wollte deine Mutter mich sehr dringend sprechen«, sagte Grace schließlich. »Sie kannte mich unter dem Namen Mary.«
    Violet schaute Grace überrascht an. »Du warst eine von ihren ›Marys‹?«
    Grace nickte errötend. »Ja. Und offenbar hast du mit deiner Mutter zusammen meine frühere Vermieterin aufgesucht, Mrs   Macready, um herauszufinden, wo ich wohne.«
    Violets Augen wurden noch größer, als Grace den Namen der Vermieterin erwähnte. »Du bist
diese
Mary! Dann bist du also meiner Mutter im vergangenen Juni begegnet? Im Berkeley House?«
    »Genau.« Grace nickte. »Mrs   Macready kennt allerdings die Umstände nicht, und da sie irgendeinen Schwindel befürchtete, hat sie deiner Mutter nicht mitgeteilt, wo ich zu finden war.« Grace atmete tief durch. »Allerdings habe ich Mrs   Macready heute Vormittag wiedergesehen, und es lag ihr sehr am Herzen, dass ich deine Mutter aufsuche, weil sie mich angeblich dringend sprechen wollte.«
    »Das stimmt«, antwortete Violet. Sie setzte sich neben Grace auf das Sofa. »Meine Mutter hat mich versprechen lassen, dass ich weiter nach dir suchen werde, um dir etwas sehr Wichtiges mitzuteilen, sofern ich dich denn finden sollte. Die Wahrheit nämlich.«
    »Die Wahrheit!« Graces Gesicht verzerrte sich in einem Anflug von Panik. Irgendetwas war mit dem Kind nicht in Ordnung gewesen, das sie zur Welt gebracht hatte. Es war verkrüppelt, lahm oder fürchterlich entstellt gewesen!
    »Es ist nichts Schlimmes«, beeilte sich Violet zu sagen, da sie merkte, in welche Richtung Grace offenbardachte. Sie überlegte einen Moment, blickte auf die Uhr auf dem Kaminsims und schien eine Entscheidung zu treffen. »Würdest du mich auf einen kleinen Spaziergang begleiten?«
    Grace fragte sich einen Augenblick, ob Violet jetzt den Verstand verloren hatte. »Einen Spaziergang?«
    »Ja. Ich werde dir unterwegs alles erklären, ich verspreche es.« Violet holte ihren Umhang, Hut und Handschuhe und zeigte Grace ihr einziges Zugeständnis in Sachen Trauerkleidung: einen Strauß violetter Blumen auf der Krempe ihres Huts.
    »Wir gehen in Richtung Bloomsbury«, erklärte sie.
    Nachdem sie die Straße überquert hatten, an den großen Hotels und Geschäften vorbei und in Richtung Russel Square unterwegs waren, nahm Violet Graces Arm.
    »Es tut mir leid, wenn ich dir jetzt komisch und geheimnistuerisch erscheine, aber dies ist das Letzte, was ich je für meine Mutter tun
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