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Geheimnisse einer Sommernacht

Geheimnisse einer Sommernacht

Titel: Geheimnisse einer Sommernacht
Autoren: Lisa Kleypas
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keiner der kurzen, koketten Küsse war so wie dieser …, ein Kuss, so ruhig und verwirrend, dass sie alles andere um sich herum vergaß. Hilflos zitternd lag sie in seinen Armen und erwiderte ungelenk die zärtlich drängenden Liebkosungen seiner Lippen. Sofort verstärkte sich der Druck seines Mundes, verlangte nach mehr und belohnte ihre Reaktion mit einer wollüstigen Entdeckungsreise, die alle ihre Sinne in Flammen setzte.
    Just in dem Moment, als sie fast glaubte, den Verstand zu verlieren, ließ er plötzlich von ihr ab. Sie war wie benommen. Ohne seine Hand von ihrem weichen Nacken zu nehmen, beugte er den Kopf zu ihr herunter.
    „Entschuldige. Ich konnte nicht widerstehen“, flüsterte er ihr ins Ohr. Dann ließ er sie los. Kurz darauf leuchtete ein rötliches Licht im Theater auf, und er verschwand in der Menge.
    „Oh, schau dir das an“, staunte Jeremy und zeigte dabei begeistert auf die Imitation eines Vulkans, aus dem sich an den Seiten rot glühende Lava zu ergießen schien. „Unglaublich!“ Dann bemerkte er, dass Mr. Hunt nicht mehr bei ihnen war, und sah Annabelle fragend an. „Wo ist Mr. Hunt? Ach, vermutlich hat er seine Freunde gefunden.“
    Schulterzuckend schenkte Jeremy seine volle Aufmerksamkeit wieder dem Vulkanausbruch und fiel mit ein in die Begeisterungsrufe des beeindruckten Publikums.
    Erschrocken und völlig sprachlos fragte sich Annabelle verwundert, ob sie wachte oder träumte. Es konnte doch nicht sein, dass sie mitten im Theater von einem Fremden geküsst worden war. Und was für ein Kuss …
    Ja, das war die Folge davon, wenn man unbekannten Gentlemen erlaubte, einem Geld zu leihen – das war wie eine Einladung, sich zu nehmen, was sie wollten. Und ihr eigenes Benehmen? Beschämt und verängstigt versuchte Annabelle zu verstehen, weshalb sie Mr. Hunt erlaubt hatte, sie zu küssen. Warum hatte sie nicht protestiert?
    Warum hatte sie ihn nicht weggeschubst? Wie in Trance hatte sie stillgehalten, während er … Der Gedanke, was er mit ihr gemacht hatte, ließ sie schaudern. Es tat eigentlich nichts zur Sache, wie oder warum Mr. Hunt all ihre gewohnten Verteidigungsstrategien zunichtegemacht hatte. Tatsache war, er hatte es getan … und deshalb musste sie in Zukunft diesem Mann auf alle Fälle aus dem Weg gehen.

1. KAPITEL
    London, 1843
Am Ende der Saison
    Ein heiratswilliges Mädchen kann fast alle Schwierigkeiten überwinden – allerdings nicht, wenn es keine Mitgift besitzt.
    Gelangweilt – ansonsten jedoch völlig beherrscht – wippte Annabelle mit dem Fuß, der ein wenig unter den vielen weißen Spitzenröcken hervorlugte. Die letzten drei Saisons waren in Bezug auf Ihre Heiratsabsichten erfolglos geblieben, und sie hatte sich daran gewöhnt, ein Mauerblümchen zu sein. Gewöhnt schon – aber noch hatte sie nicht resigniert. Bestimmt hatte sie Besseres verdient, als hier auf diesem unbequemen Stuhl an der Längsseite des Ballsaales zu sitzen. Gehofft hatte sie …, immer wieder auf eine Einladung gehofft – die nicht kam. Nie hatte sie sich etwas anmerken lassen, hatte stets so getan, als mache es ihr nichts aus – ja, dass sie sogar absolut glücklich sei, den Gleichaltrigen beim Tanzen und Flirten zuzuschauen.
    Annabelle seufzte tief und nestelte an dem silbernen Tanzkartenetui, das sie an einem Band ums Handgelenk trug.
    Der Deckel sprang auf und enthüllte ein Büchlein mit fast transparenten Elfenbeinblättern, die sich wie ein Fächer aufklappen ließen. Auf die zierlichen Blätter konnte man mit einem Stift seine Tanzpartner eintragen. Doch der leere Kartenfächer erinnerte Annabelle immer irgendwie an eine Zahnreihe, die sie spöttisch angrinste. Ärgerlich ließ sie den Deckel des Silberetuis wieder zuschnappen und schaute zu den drei Mädchen, die neben ihr saßen und wie sie selbst alle darum bemüht waren, sich ähnlich diszipliniert ihrem Schicksal zu fügen.
    Annabelle wusste genau, weshalb diese Mädchen hier saßen. Miss Evangeline Jenner war einfacher Herkunft, und ihre Familie hatte ihren beachtlichen Reichtum durch Glücksspiel gewonnen. Zudem war Miss Jenner schrecklich schüchtern und stotterte leicht, was eine Unterhaltung mit ihr durchaus zur Tortur werden lassen konnte.
    Die anderen beiden Mädchen, Miss Lillian Bowman und ihre Schwester Daisy, waren noch nicht mit den englischen Sitten vertraut – und so wie es aussah, würde es wohl auch noch eine ganze Zeit dauern, bis das der Fall war. Es hieß, dass Mrs. Bowman mit
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