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Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)

Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)

Titel: Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
Autoren: Guido Knopp
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konnte.
    Manfred Görtemaker, Historiker und Heß-Biograf
    Der Putschversuch stellte sich schon am nächsten Tag als dramatischer Bluff heraus, dilettantisch geplant und operettenhaft in Szene gesetzt. Im Gewehrfeuer einer Polizeieinheit scheiterte Hitlers erster Versuch, die Macht zu ergreifen, blutig. Das Gedenken an die 14 Opfer jenes Tages sollte im »Dritten Reich« zum jährlich begangenen düsteren Ritual werden – mit Rudolf Heß in der ersten Reihe der »alten Kämpfer« der NSDAP . Dabei war er beim blutigen Desaster an der Feldherrnhalle gar nicht vor Ort gewesen. Er bewachte zur selben Stunde Geiseln – zwei bayerische Minister, die ihm später auf der Flucht während einer Rastpause abhanden kamen. Der Möchtegernputschist setzte sich nach dem Scheitern des Umsturzversuchs nach Österreich ab, kehrte jedoch nach Bayern zurück, als deutlich wurde, dass die Putschisten von einem eigens eingerichteten »Volksgericht« keine schweren Strafen zu befürchten hatten. Sollte Heß in diesen Monaten jemals an seinem »Tribunen« gezweifelt haben – als er erfuhr, wie Hitler seinen Prozess als politische Bühne benutzte, stellte er sich den bayerischen Justizbehörden. In einem Schnellverfahren wurde er zu 18 Monaten Festungshaft verurteilt und gemeinsam mit Hitler ins Gefängnis von Landsberg am Lech gebracht.

    »Die nationale Revolution ist ausgebrochen!«: Einheiten des »Stoßtrupps Hitler« am 9. November 1923 vor dem Bürgerbräukeller in München.
    BPK, Berlin (Bayerische Staatsbibliothek/Heinrich Hoffmann)

    Die Insassen des »Feldherrnflügels« in der Landsberger Haftanstalt: Hitler, Emil Maurice, Hermann Kriebel, Heß und Friedrich Weber (von links).
    Ullstein Bild, Berlin (N.N.)
    Der Sekretär des »Führers«
    Die folgenden Monate waren für das Verhältnis von Hitler und Heß entscheidend. Erst in Landsberg festigte sich die Beziehung von »Führer« und »Stellvertreter« endgültig. Hinter den Mauern der Festung, die eher einem Sanatorium glich als einer Haftanstalt, spielte Heß dabei mehrere Rollen zugleich: Er war Diskussionspartner, Stichwortgeber und Testpublikum. Dass er freilich, wie jahrzehntelang kolportiert, an Hitlers Bekenntnisschrift Mein Kampf entscheidend beteiligt war, dass er das gesamte Manuskript abgetippt hat oder sogar selbst inhaltlichen Einfluss auf das Werk hat nehmen können, kann nach neuesten Forschungen wohl ins Reich der Legende verwiesen werden. Zwar fanden die geopolitischen Thesen seines Lehrers Haushofer vom »Lebensraum im Osten« Eingang in das Pamphlet, dies jedoch in einigermaßen entstellter Form.
    Die eigentliche Karriere von Heß sollte dort beginnen, wo sie auch endete: im Gefängnis. In Landsberg, wo Heß mit seinem Führer Tür an Tür wohnte (Stube 5 und 7), im ersten Stock des mächtigen Festungsbaus, den die Mitgefangenen den »Feldherrnflügel« nannten, wurde das Fundament gelegt für die in religiöse Kategorien hinüberreichende Ergebenheit des Jüngers gegenüber seinem Herrn.
    Rainer F. Schmidt, Heß-Biograf
    Tatsächlich beschränkte sich Heß’ Rolle wohl darauf, dass Hitler bei gelegentlichen Lesungen die Wirkung seiner Worte überprüfen konnte. Beispielsweise, als er Heß einige Absätze über die Kriegsbegeisterung der jungen Soldaten im August 1914, über Kameradschaft und Sterben im Schützengraben vortrug: »Der Tribun hatte zuletzt immer langsamer, immer stockender gelesen«, berichtete Heß seiner späteren Frau. »Dann ließ er plötzlich das Blatt sinken, stützte seinen Kopf in seine Hand – und schluchzte. Dass es da auch mit meiner Fassung zu Ende war, brauch’ ich Ihr das zu sagen!« Gemeinsame Tränen der Weltkriegsveteranen – das schweißt zusammen. Das Ende des Briefs: »Ich bin ihm ergeben mehr denn je! Ich liebe ihn!«
    Nach seiner Haftentlassung kurz vor Weihnachten 1924 versuchte es Heß trotzdem erst noch einmal ohne den »Tribun«. Doch als das Projekt einer »Deutschen Akademie« seines Exprofessors Haushofer nicht recht auf die Beine kam, nahm er endgültig Hitlers Angebot an und wurde für ein Anfangsgehalt von 500 Reichsmark dessen Privatsekretär. Von nun an sollte sich Heß niemals mehr dem Bannstrahl Hitlers entziehen können. Er war jetzt fast ständig an der Seite seines »Führers«, organisierte dessen Terminplan und hetzte mit ihm von Veranstaltung zu Veranstaltung. Andere NSDAP -Funktionäre spöttelten ob seiner zurückhaltenden, fast devoten Art schon über das »Fräulein« Heß. Tatsächlich aber
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