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Geheimnis einer Wuestennacht

Geheimnis einer Wuestennacht

Titel: Geheimnis einer Wuestennacht
Autoren: Annie West
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pustete sich eine feuchte Strähne aus der Stirn und stellte fest, dass sie am ganzen Körper zitterte. Die Arme waren weich wie Pudding, sodass sie das kleine Tierchen lieber im Sand ablegte, ehe es ihr entgleiten konnte.
    Ihr Puls raste, und das Herz klopfte schmerzhaft in der Brust – vor Schock und Angst, dass sie den Fremden vielleicht nicht retten konnte.
    Nach einer flüchtigen Untersuchung entschied sie sich dafür, ihn in ihr Zelt zu bringen. Seine Temperatur war beängstigend hoch. Er musste schon eine ganze Weile in der Wüste herumgeirrt sein, eine weitere Nacht unter freiem Himmel wäre äußerst fatal. Aber wie transportierte man einen Mann von annähernd einem Meter neunzig über weichen Sand in ein Camp, das mindestens dreißig, vierzig Meter entfernt war?
    Es kostete sie über eine Stunde und jedes Quäntchen Kraft, den reglosen Körper in ihr Zelt und auf eine Feldliege zu verfrachten. Das Beängstigende war, dass er sich die ganze Zeit über nicht einmal gerührt hatte.
    â€žJetzt stirb mir bloß nicht unter den Händen weg!“, beschwor sie ihn energisch und tastete zum wiederholten Mal nach dem schwachen Puls des verletzten Mannes. Behutsam begann sie damit, die hässliche, blutverkrustete Wunde an seiner Schläfe zu reinigen. Möglicherweise war es ja gar nicht so schlimm, wie es auf den ersten Blick schien. Trotzdem murmelte Annalisa eine Art Gebet vor sich hin, das sie, gleich einem Mantra, ein ums andere Mal monoton wiederholte. In einem Sprachengemisch aus Arabisch, Dänisch und Englisch, wie ihr Vater es immer gemacht hatte, wenn er sich einer hoffnungslosen Situation gegenübersah.
    Der vertraute Singsang beruhigte sie, sodass es ihr sogar gelang, sich die gewohnte Kontrolle über Herz und Verstand zurückzuerobern. Obwohl es nur eine Illusion war, denn dass der Fremde überleben würde, erschien ihr, angesichts seines momentanen Zustands, unmöglich.
    â€žSchon gut …“, drang eine schwache Stimme an ihr Ohr, „… ich weiß, dass ich sterben werde …“
    Seine Augen blieben geschlossen, doch eine kaum wahrnehmbare Bewegung der aufgeplatzten, blutverkrusteten Lippen verrieten Annalisa, dass sie nicht fantasierte. Hoffnung, gepaart mit Ärger wallte in ihr auf. „Seien Sie nicht albern! Sie werden auf keinen Fall sterben, verstanden?“
    Nach einer atemlosen Pause bewegten sich seine Lippen erneut. „Wenn du es sagst …“, murmelte er kaum vernehmbar. „Aber nicht schimpfen, wenn ich es nicht schaffe. Mir ist es nämlich egal …“ Die Worte verebbten wie der Wüstenwind.
    Er lag so still, dass Annalisa unmöglich feststellen konnte, ob er überhaupt ausgeatmet hatte. Mit grimmigem Gesicht tastete sie nach seinem Puls und stieß einen erleichterten Seufzer aus, als sie ihn endlich unter ihren Fingerspitzen fühlte. Sogar stärker als zuvor. Vielleicht war es wirklich besser für ihn, wenn er in die Bewusstlosigkeit zurückfiel, dann spürte er wenigstens keine Wundschmerzen.
    Nachdem sie eine Schüssel mit kaltem Wasser geholt und seine brennende Stirn mehrfach mit einem feuchten Lappen abgetupft hatte, fiel ihr plötzlich auf, dass der Fremde in perfektem, akzentfreiem Englisch gesprochen hatte.
    Wer war er? Und woher mochte er kommen? Was hatte ein einsamer Ausländer, gekleidet wie ein Superstar, mitten in der Wüste von Qusay verloren?
    Tahir wusste nicht, wo die Pein anfing und wo sie aufhörte. In seinem Kopf hämmerte es erbarmungslos, sein Körper fühlte sich wund an, der Hals rau und ausgetrocknet. Wenn er versuchte zu schlucken, war es, als schlössen sich seine Muskeln um Glasscherben.
    Diesmal hatte er wirklich die volle Ladung abbekommen, und der alte Mann damit den Bogen endgültig überspannt. War er darauf aus, sein eigen Fleisch und Blut umzubringen?
    Tahir bemühte sich, aus tiefer Dunkelheit zum Licht durchzudringen, doch es wollte ihm nicht gelingen. Instinktiv wusste er, der Schmerz würde ihn überwältigen, wenn er es ernsthaft versuchte.
    Seine einzigen Waffen gegen seinen Vater waren von jeher kalter Stolz und vorgetäuschte Gleichgültigkeit gewesen. Dem sengenden Blick seines Erzeugers ohne Wimpernzucken zu begegnen und sich zu weigern, um Gnade zu winseln.
    Wie schlimm es auch immer kam, nie hatte er vor ihm eine Träne verloren oder sich Schmerz anmerken lassen, egal, wie
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