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Geheimes Verlangen

Geheimes Verlangen

Titel: Geheimes Verlangen
Autoren: C Redfern
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unbekleidet neben ihr liegen, die Kameraderie zwischen ihren beiden nackten Körper spüren. Am wohlsten fühlen sich beide, wenn nichts zwischen ihnen steht: keine Worte, keine Ausflüchte: zwei normale Menschen, die nur eines sind: sie selbst. In solchen Augenblicken fühlt er sich von einer Aura demutsvollen Glanzes umkleidet, ist plötzlich wieder von der tiefen Liebe des Anfangs erfüllt. Unter der Decke schmiegt er sich an sie, die Finger streicheln ihre heiße Haut. Sie streckt die Beine aus und drängt sich ihm entgegen. Er küsst ihre Nase, ihre fiebertrockenen Arme. »Ich bleibe bei dir«, sagt er. »Ich will nicht, dass du allein bist.«
    Sie liegt stumm da, blinzelt. In ihren Augen stehen Tränen, so froh ist sie, dass sie ihn bei sich hat. Er streckt die Hand nach seiner Teetasse aus, die auf dem Nachttisch steht, bemerkt nicht, dass sie weint. Sie ist mitten am Vormittag mit klopfendem Herzen aufgewacht, unfähig, die Panik abzuschütteln, in die ein grauenhafter Traum sie versetzt hatte, dessen Bilder sie auch nach dem Erwachen unerbittlich verfolgt hatten. In dem Traum hatte sie vor der Haustür gestanden: im Garten ringsum ihre liebevoll gehegten Pflanzen vertrocknet und umgeknickt am Boden, der Zaun, den sie mit eigenen Händen gebaut hat, nichts als Trümmer; das Erdreich mit Ruß und Steinen bedeckt, der Garten eine einzige Wüste. Vor Schrecken taumelnd, bestürmt sie ein paar Arbeiter, die dabei sind, alles wieder so herzurichten, wie es vorher gewesen ist. Einer von ihnen antwortet höhnisch: Wenn du sonst keine Sorgen hast. Dann hebt er blasiert die Hand, und als sie sich umdreht, sieht sie, dass ihr Heim wie ein Kartenhaus in sich zusammengebrochen ist und in einer stinkenden schwarzen Flut versinkt, die schon den ganzen Hof erfüllt. Von Krankheit gezeichnet, ragen abgeknickte Bäume aus der widerlichen Brühe hervor. Während er gerade einen Schluck von seinem Tee nimmt, schließt sie die Augen und sieht plötzlich alles wieder vor sich: die schäumende Jauche, die ihr schon bis zu den Knöcheln steht, die Gesichter, die sie höhnisch mustern. Kein subtiler Traum, vielmehr einer, der ihr ins Gesicht schreit. Sie schiebt die Hand unter das Laken, will ihn berühren, hält seine Hand. Trotz der blödsinnigen Liebe, die sie für ihn empfindet, steht sie ganz allein da, und sogar ihr Unbewusstes begehrt gegen sie auf. Gut möglich, dass er glaubt, sie sei von einer Art Wahnsinn besessen – dass er den Eindruck hat, selbst bereits bis zu den Knöcheln in diesem Wahnsinn zu stehen, dass er sich davon vergiftet, angewidert fühlt. Hat er ihr nicht selbst gesagt, dass die Schuldgefühle, die ihn nach seinen Besuchen hier bei ihr manchmal quälen, ihn schier zu zerfressen drohen? Hat er ihr nicht selbst gesagt, dass er manchmal den Kopf in die Hände stützt und zu weinen anfängt, dass ihn seine Schuldgefühle wie schweres Schiefergestein schier unter sich begraben? Ist es nicht so, dass mitunter schon ihr Name ausreicht, um ihn zur Verzweiflung zu treiben, den Wunsch in ihm weckt, sich das Herz aus dem Leib zu reißen? Doch nicht jetzt. Jetzt flüstert er: »Mein Kleines. Mein armes kleines Mädchen.«
    Sie zieht ihn so nahe wie möglich zu sich heran, kuschelt sich in seinen Schoß. Aus ihrer noch unberührten Teetasse steigen – tanzenden Gespenstern gleich – duftende Dampfkringel auf. »Als ich klein war, habe ich mich immer auf der Fensterbank im Esszimmer hinter dem Vorhang versteckt, wenn ich krank war«, schnurrt sie mit der Stimme eines altklugen Kindes.
    »Wieso? Hattest du Angst vor dem Arzt?«
    »Nein, das war es nicht … Ich glaube, ich hatte Angst, krank zu sein. Ich hatte immer das Gefühl, das ist etwas Schlimmes, das gehört sich nicht. Dass ich mich schämen muss – wegen der Unannehmlichkeiten, die ich den anderen bereite. Ja, das war es, glaube ich: Ich habe mich geschämt.«
    Plötzlich sieht er sie vor sich: ein kleines Mädchen, das auf einer Fensterbank kauert, die Arme um die angezogenen Beine geschlungen, in den Vorhang gehüllt, der von der Decke herabhängt. Das Kind lauscht auf die Schritte der Mutter, die Wangen bleich von der Krankheit und vor Scham. Jahre später wird sich das Mädchen weigern, mit ihm zu schlafen, wenn sie ihre Periode hat, mit demselben Argument: weil es ihm unangenehm sein könnte. Wenn es wieder einmal so weit ist, lacht er bloß – Sei doch nicht albern – und verschweigt ihr, dass ihn die Vorstellung, sie zu vögeln, während sie
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