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Geheimes Verlangen

Geheimes Verlangen

Titel: Geheimes Verlangen
Autoren: C Redfern
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blutet, sogar erregt. »Ich habe vorhin auch gedacht, dass du dich versteckst«, sagt er. »Schön, wenn ich dich hinter deinem Vorhang gefunden hätte.«
    Sie kichert in ihr Kissen, und ihre Tränen tropfen auf den Bezug, zerplatzen dort wie feuchte Sterne. Er fängt ein paar davon auf, zerreibt sie zwischen den Fingern. »Weine nicht«, sagt er. »Ich bin doch da.«
    »Ja«, sagt sie seufzend. »Danke.«
    »Willst du denn deinen Tee gar nicht trinken? Nimm doch einen Schluck. Dann fühlst du dich gleich besser.«
    Sie nickt, als ob sie beabsichtigt, seinen Rat zu befolgen, rührt die Tasse aber nicht an. Dann fragt sie: »Ist Tee für dich das Schönste auf der Welt?«
    »Hm. Ja, glaube ich schon.«
    »Noch besser als lachen? Besser als der Ozean? Besser als einschlafen?«
    »Besser als alles andere«, versichert er ihr. »Und du? Was ist für dich das Allerschönste?«
    »Kleine Kätzchen«, sagt sie, ohne zu zögern. »Für mich sind Kätzchen das Allerschönste.«
    Er lächelt, muss an kleine Kätzchen denken. Eines Tages wird er sie fragen, welche Farbe, welche Zahl, welcher Film, welcher Planet, welches Aroma, welches Gemälde, welches Gebäude, welches Buch ihr am allerliebsten ist. Aber nicht heute. Sein Mobiltelefon liegt auf dem Nachttisch. Er stellt den Weckruf so ein, dass das Handy eine Stunde später klingelt. Dann drängt er sich zärtlich an sie, völlig entspannt, schließt die müden Augen, nimmt sie fürsorglich und besänftigend in die Arme, bis sie anfängt, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Ihr Tee wird kalt. Noch eine Stunde, dann wird er ihr eine frische Tasse bringen.

D ie beiden besuchen eine Party im obersten Stockwerk eines -für den Abend eigens angemieteten – großen alten Gebäudes: eine umwerfend stilvolle Veranstaltung mit gut gekleideten Gästen, die ihre Einladung vorlegen. Die jungen Männer hinter der Bar sind bezahlte Profis und heben die Augenbrauen, wenn ihnen entfallen ist, was sie gerade zu tun haben, um dann umso großspuriger grell leuchtende Flüssigkeiten in silberne Shaker zu gießen. Es scheint fast so, als gelte die Party allein ihnen, denn in wenigen Tagen ist es ein Jahr her, seit er sich auf ihr Bett gelegt, an das Meer und an das Ertrinken gedacht hat, während ihre Finger ein Muster wie Musik auf seinen Rücken malten. Jetzt, ein Jahr später, überlegt er, ob sich das alles nicht rückgängig machen lässt, während sie darüber nachsinnt, ob das zurückliegende Jahr nicht für beide das vielleicht schlimmste ihres Lebens gewesen ist. Und trotzdem haben sie in diesem vergangenen Jahr in schwindelnden Höhen gelebt, sind wie Papierdrachen hoch in den Himmel gestiegen und umso steiler in die Tiefe gestürzt. Gemeinsam haben sie Regionen erkundet, in die niemand ihnen zu folgen vermochte. Sie haben einander beschützt, füreinander gehofft und gewacht, den Schatten des anderen in der sonst leeren Hand gespürt. Sie sind füreinander die Sonne gewesen, die der Planet auf seiner jährlichen Reise umrundet hat. Sie wissen beide, dass nichts daran etwas Besonderes ist.
    Aber selbst nach einem Jahr ist er noch vorsichtig: wie ein wachsames Tier, das stets auf der Hut ist vor tödlichen Räubern. Er findet es unklug, zur gleichen Zeit zu erscheinen wie sie. »Wem fällt das schon auf?«, fragt sie. »Wen interessiert das schon?« Er aber weiß, dass sie ihn nur prüfen will. Jeder der Gäste könnte etwas bemerken – und sicher findet sich jemand, der sich sehr wohl für die beiden interessiert. Er sieht schon vor sich, wie das Gerücht aus der Kiste entweicht und wie eine Spinne an den Wänden entlangrennt. Er sieht schon tausend Köpfe, die sich nach ihnen umwenden, hört tausend Münder nach Luft schnappen, ein Luftstrom, der seine Welt wie eine morsche Brücke zum Einsturz bringen könnte. Aber auch sie ist ein Teil seiner Welt. Sie ist eine Grenze, ein Fluss, eine Schlucht. Sie ist eine Spinne in einer kostbaren Schachtel, exquisit und abscheulich, eine Beute, auf die er zwar stolz ist, der er jedoch niemals die Freiheit gewähren kann. Jetzt zeigt sie ihm ihre winzigen Zähne: Er folgt ihr die Treppe hinauf, denn er weiß nur zu gut, dass er sonst ihren Biss zu spüren bekommt. Die Treppe führt hundert oder mehr Stufen hinauf. Von weiter oben hört er eine Band und Stimmengewirr, bleibt abrupt stehen. Sie dreht sich mit wütend funkelnden Augen nach ihm um. Doch er berührt ihr Kinn und küsst sie, und sie sagt: »Was war das?«
    »Weil ich dich auf der Party
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