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Geheime Tochter

Geheime Tochter

Titel: Geheime Tochter
Autoren: Shilpi Somaya Gowda
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Saris in üppig leuchtenden Farben zum Vorschein.
    »Ich möchte, dass du die hier bekommst. Die anderen verschenke ich an die Wohlfahrt, aber die hier habe ich zu meinen verschiedenen Hochzeitsfeierlichkeiten getragen, und sie sollen in der Familie bleiben.« Die alte Frau legt beide Hände flach auf den Stapel. »Ich habe ein paar für die anderen Mädchen aufbewahrt, aber sie haben selbst so viele. Sie finden meine altmodisch, was sie auch sind. Ich weiß, du trägst keine indische Kleidung, aber du könntest sie als Tagesdecken oder als Vorhänge benutzen, dagegen hätte ich nichts.« Sarla lacht.

    Somer faltet den satt orangegelben Sari auseinander, der obenauf liegt, und streicht mit der Hand über die glatte Seide, die kunstvollen Goldornamente entlang des Saums. Er ist atemberaubend, die Farbe eines Sonnenuntergangs. »Das wäre viel zu schade. Ich würde gern versuchen, sie zu tragen. Ich weiß zwar nicht, wie, aber –«
    »Asha kann’s dir zeigen.« Sarlas Lächeln vertieft die deutlichen Falten um ihren Mund.
    »Danke. Ich weiß, wie viel sie dir bedeuten. Ich verspreche, gut mit ihnen umzugehen«, sagt Somer und spürt, wie die Rührung sie überkommt. »Vielen, vielen Dank. Und … danke auch, dass du dich im vergangenen Jahr so gut um Asha gekümmert hast.«
    »Na ja« – Sarla bedeckt Somers Hände mit ihren – »niemand kann eine Mutter ersetzen, aber ich habe für dich ein Auge auf sie gehabt. Sie ist eine ganz besondere junge Frau. Ich sehe in ihr vieles von dir. Du kannst stolz darauf sein, wie du sie erzogen hast.«
    »Danke«, sagt Somer, während ihr Tränen in die Augen steigen. Die Tür öffnet sich quietschend, und Krishnan kommt herein. »Aber das habe ich nicht allein geschafft, wie du weißt.« Sie lacht, deutet mit dem Kopf Richtung Tür. »Dein Sohn hat auch etwas Anerkennung verdient.«
    »Ja, bitte, gib mir etwas Anerkennung. Was habe ich diesmal gemacht?«, fragt Krishnan.
    »Nichts. Überhaupt nichts. Komm, setz dich«, sagt Sarla. »Ich habe was für dich.«
    Somer räumt das Bündel Saris vom Bett und geht dann auf die andere Seite des Raumes, während Krishnan ihren Platz auf dem Bett einnimmt. Sie überlegt kurz, ob sie die zwei allein lassen soll, damit sie ungestört sind, doch dann spricht Sarla sie beide an.
    »Ich weiß, bei euch in Kalifornien gibt es viele Gewässer«,sagt sie. »Vielleicht könnt ihr eine schöne Stelle finden, eine friedliche Stelle, die deinem Papa gefallen hätte.« Sie reicht Kris ein kleines Gefäß voll mit grauer Asche. »Und da könnt ihr die hier verstreuen.«
    Quer durch den Raum sieht Somer, dass Kris’ Schultern ein wenig herabsinken, als er das Gefäß nimmt.
    »Wir verstreuen einen Teil hier im Meer, wenn die Zeit kommt, aber …« Sarla schiebt das Kinn vor, und ihre Augen glitzern, als sie ihren Sohn ansieht. »Aber er war immer so stolz darauf, dass du drüben bist. Und das hier ist auch für dich. Ein bisschen alt, aber es funktioniert noch.« Sarla zieht ein abgegriffenes Stethoskop aus dem Karton.
    Somer erkennt sofort das Instrument, das sie bei ihrem letzten Besuch jeden Tag bei Kris’ Vater gesehen hat. Das Stethoskop war sein ständiger Begleiter, häufig sogar beim Abendessen. Krishnan hat zwar als Chirurg wenig Verwendung dafür und wahrscheinlich seit Jahren keines mehr benutzt, aber er versteht die Bedeutung dieses Geschenks.
    »Bist du sicher? Willst du es nicht behalten –«, fragt er und dreht es in den Händen.
    Sarla schließt die Augen. » Hahnji , beta , ganz sicher. Er hat seine Wünsche sehr deutlich gemacht.«
    Sie warten noch eine Stunde in der Abfluglounge, bis sie an Bord ihrer Maschine können. Krishnan trinkt seine letzte Tasse echten indischen chai , und Asha und Somer nippen an ihrem Tonic mit Limone.
    »Mom hat mir heute Morgen den Sonnengruß beigebracht«, sagt Asha zu Kris. »Du hättest mitmachen sollen. Jetzt wird dir von dem langen Flug alles wehtun, wenn wir zu Hause ankommen, und wir beide fühlen uns totalfit.« Kris schüttelt schmunzelnd den Kopf und wendet sich wieder seiner Zeitung zu.
    »Wisst ihr, ich überlege, nächstes Jahr einen zweiwöchigen Yoga-Urlaub zu machen«, sagt Somer.
    »Super. Wo denn?«, fragt Asha.
    »Mysore.«
    Kris blickt von der Zeitung auf, er und Asha sehen einander an, und dann fixieren beide Somer. »Mysore … Indien?«, fragt Kris.
    »Ja«, antwortet sie. »Mysore, Indien. Da ist ein großes Yoga-Zentrum. Ich habe mit meiner Lehrerin darüber gesprochen. Sie
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