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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie
Autoren: John le Carré
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verschlucken.
    Ich kehre auf unser Zimmer zur ück und widme mich erneut dem Studium von Mrs. Hakims Tapete. Im Radio wird eine Unterstaatssekretärin im Außenministerium interviewt:
    »Wir haben eine blütenweiße Weste, Andrew«, antwortet sie in dem forschen Ton, dessen sich New La bour so gern beflei ßigt, wenn die Partei sich betont offen geben will. »Die britische Regierung ist in keiner Weise in die Sache verwickelt, so viel steht fest. Gut, der eine oder andere der Männer ist britischer Staatsangehöriger, aber ich bitte Sie! Ehrlich gesagt hätte ich erwartet, daß Sie uns etwas mehr zutrauen. Nach unserem aktuellen Erkenntnisstand handelt es sich hier um eine stümperhaft verpfuschte Privataktion. Und wenn Sie mich noch so oft fragen, von wem, ich kann es Ihnen nicht sagen, denn ich weiß es nicht! Was ich Ihnen sagen kann, ist, daß die Sache durch und durch amateurhaft aufgezogen war, und halten Sie von uns, was Sie wollen, Amateure sind wir nicht. Ja, auch ich trete für die Redefreiheit ein, Kevin. Guten Abend!«
    Maxie hat einen Namen bekommen. Eine seiner Exfrauen hat ihn im Fernsehen erkannt. Ein lieber Mann, der leider nicht erwachsen werden konnte, Pfarrerssohn. Offiziersausbildung an der Milit ärakademie in Sandhurst, Betreiber einer Bergsteigerschule in Patagonien, unter Vertrag bei den Vereinigten Arabischen Emiraten, sagt sie munter. Ein kongolesischer Akademiker, der sich selbst »der Lichtbringer« nennt, wird als Kopf der Verschwörung verdächtigt. Er ist inzwischen untergetaucht. Interpol hat die Ermittlungen aufgenommen. Über Lord Brinkley und sein multinational finanziertes, anonymes Syndikat kein Wort, ebensowenig darüber, daß es dieses Syndikat auf die ostkongolesischen Bodenschätze abgesehen hat. Kein Wort über zwielichtige Libanesen, unabhängige Berater und deren Freunde. Waren vermutlich alle beim Golfspielen.
    Ich liege auf dem Bett und h öre zu, wie Mrs. Ha kims Messinguhr die viertel und die halbe Stunde schl ägt. Ich bin Maxie, den sie an einen Pfahl gekettet haben. Es wird Morgen, die Sonne geht auf, und ich liege immer noch im Bett, ohne Ketten. Plötzlich ist es sieben Uhr, dann acht. Die Uhr schlägt Viertelstunde um Viertelstunde. Das Regenbogenhandy trällert.
    »Salvo?«
    Ja, Grace.
    Warum sagt sie nichts? Weil sie das Handy an Hannah weitergibt? Aber warum nimmt Hannah es dann nicht? Im Hintergrund verst ümmelte Geräusche. Eine befehlsgewohnte nordenglische Frauenstimme ruft einen Männernamen. Wer um alles in der Welt ist Cyril Ainley? Ich kenne weder einen Cyril noch einen Ainley. Wo sind wir? Im Krankenhaus? Irgendwo in einem Wartezimmer? Es sind nur Sekunden, Millisekunden, in denen ich alle Töne zusammenklaube, derer ich habhaft werden kann.
    »Bist du das, Salvo?«
    Ja, Grace. Ich bin ’s, Salvo. Ihre Stimme ist sehr gedämpft. Ob da, wo sie ist, keine Telefone erlaubt sind? Ich höre andere Leute telefonieren. Sie hat den Mund direkt über der Sprechmuschel, der Klang ist verzerrt. Sie hat die Hand um den Hörer geschlossen. Dann plötzlich sprudelt es aus ihr hervor: ein atemloser, wirrer Monolog, den sie nicht anhalten könnte, selbst wenn sie es wollte, und ich erst recht nicht.
    »Die haben sie, Salvo, weiß der liebe Gott, wer die sind, ich bin auf der Polizei und mach eine Anzeige, aber ich kann nicht lange reden, sie haben sie einfach mitgenommen, vom Bürgersteig weg entführt, vor der Kirche, ich stand direkt daneben, wir haben die Kids abgeliefert und Amelia hatte einen Koller, und ihre Mum hat gesagt, wir h ätten sie verwöhnt, und Hannah und ich sind zusammen den Berg runtergegangen und wir waren echt sauer auf diese undankbare Zicke, und plötzlich hält dieser Wagen an und zwei Kerle steigen aus, einer schwarz und der andere weiß, ganz normale Typen, Salvo, und eine weiße Fahrerin, die die ganze Zeit stur gradaus durch die Windschutzscheibe geguckt hat und nicht ein einziges Mal zu uns rüber, jedenfalls steigen die Typen aus, und der Schwarze sagt Hi, Hannah, und legt ihr den Arm um, wie wenn er ein alter Freund von ihr war, und schiebt sie in den Wagen, und schon sind sie weg, und jetzt will diese nette Polizistin hier von mir wissen, was das für ein Auto war, und sie zeigt mir Photos von Autos, und das geht jetzt schon seit Stunden, und Hannah hat kein Wort mehr zu mir gesagt, wie denn auch, und jetzt sagt die Polizei, vielleicht ist sie freiwillig mit den Typen mitgegangen, vielleicht hatte sie was mit dem Schwarzen oder
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