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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie
Autoren: John le Carré
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ausschließen.
    Zweiundzwanzig Mitglieder einer afrikanischen Fu ßballmannschaft, die nach der Entdeckung eines geheimen Arsenals mit leichten Waffen und schweren Maschinengewehren am Flughafen von Bukavu festgenommen wurden, werden momentan einer Befragung unterzogen.
    Meldungen über Opfer liegen nicht vor. Über das Herkunftsland der Gastmannschaft ist nichts bekannt.
    Die Schweizer Botschaft in Kinshasa lehnt zum jetzigen Zeitpunkt jede Stellungnahme zu den vier Schweizer Flugzeugmechanikern ab. Anfragen hinsichtlich ihrer Reisedokumente seien an Bern weitergeleitet worden.
    Danke, Gavin. Ende der Meldung. Ende der letzten Zweifel.
    Mrs. Hakims Aufenthaltsraum ist ein Prachtgemach mit tiefen Sesseln und einem Ölgemälde von einem Paradiessee, an dessen Ufer Huris tanzen. In einer Stunde werden es sich hier kettenrauchende asiatische Geschäftsleute gemütlich machen, um sich auf einem cadillacgroßen Fernseher Bollywood-Videos anzusehen, aber noch strahlt er die parfümierte Stille eines Bestattungsinstituts aus, und ich sehe mir die ZehnUhr-Nachrichten an. Männer in Ketten verändern ihre Größe. Benny ist geschrumpft. Anton wirkt stämmiger. Spider ist um gut einen halben Kopf gewachsen, seit er mit seiner improvisierten Kochmütze die Teller ausgeteilt hat. Aber der Star der Show ist weder der pakistanische UN-Kommandant mit seinem blauen Helm noch der Oberst der kongolesischen Armee mit seinem Stöckchen, sondern unser Skipper Maxie in einer hellbraunen Hose ohne Gürtel und einem durchgeschwitzten Hemd, dem ein Ärmel fehlt.
    Die Hose ist das einzige, was von dem khakifarbenen Multifunktionsanzug übriggeblieben ist, in dem ich ihn das letzte Mal gesehen habe, als er mir den braunen Umschlag mit den siebentausend Dollar Honorar aushändigte, die er dem Syndikat in der Güte seines Herzens abgetrotzt hatte. Ohne die Bogey-Brille mit den dicken Gläsern fehlt seinem Gesicht das Charismatische, das mich so in Bann gezogen hat, aber andererseits ist so der Effekt sogar noch stärker, denn jetzt trägt es einen Ausdruck zähen Durchhaltens: Niemals wird er sich geschlagen geben, ganz gleich, wie lange die Auspeitschung dauert! Die kugelsicheren Hände sind gefesselt und vor ihm gekreuzt wie Hundepfoten. An dem einen Fuß trägt er einen Wüstenstiefel, der andere ist nackt, passend zu seiner nackten Schulter. Doch es liegt nicht an dem fehlenden Stiefel, daß er so langsam geht, sondern an den Fußketten, die für einen Mann seiner Größe zu kurz sind und, so mein Eindruck, auch zu stramm. Er sieht mir genau in die Augen und befiehlt mir, wenn ich seine aufgebrachten Kieferbewegungen richtig deute, mich zu verpissen, aber dann wird mir klar, daß er nicht mich meint, sondern den Menschen, der ihn filmt.
    Maxie dicht auf den ungleichen Fersen folgen Anton und Benny, aneinander und an ihren Skipper gekettet. Anton hat links im Gesicht eine Schramme, vermutlich eine Folge unbotm äßigen Verhaltens. Benny wirkt deshalb so viel kleiner, weil ihn seine Ketten nach unten ziehen und zu einem lächerlichen Trippelschritt zwingen. Ein sausender Hieb mit einer panga hat ihm den grauen Pferdeschwanz zum Stoppelfeld abgemäht, wodurch er aussieht wie auf dem Weg zur Guillotine.
    Hinter Benny kommt Spider, Tondiebkomplize und Bastler von Elektroschockern, gefesselt, aber aufrecht. Er durfte seine M ütze behalten, was ihm einen kecken Anstrich verleiht. Akrobat, der er ist, tut er sich weniger schwer als seine trippelnden Gefährten. Zusammen bilden die vier eine fußlahme Polonäse, hin und her ruckend nach einem Rhythmus, mit dem sie nicht klarkommen.
    Hinter den Wei ßen trotten die Fußballspieler, an die zwanzig Mann, eine immer kleiner werdende Kolonne trauriger schwarzer Schatten: alles Veteranen, alle teamerprobt, die besten Kämpfer der Welt. Aber als ich nervös nach einem Dieudonné oder einem Franco Ausschau halte für den Fall, daß sie im Getümmel der gescheiterten Operation mit ins Netz gegangen sind, kann ich zu meiner Erleichterung weder den schweren Leib des humpelnden alten Haudegens noch die geisterhafte Gestalt des ausgezehrten Banyamulenge-Führers unter den Gefangenen entdecken. Nach Haj suche ich erst gar nicht; mein Gefühl sagt mir, daß er nicht da sein wird. Ein Informationshäppchen, das uns die Kommentatoren genüßlich servieren, lautet, daß es Maxie – bisher nur bekannt als »der mutmaßliche Rädelsführer« – geschafft hat, bei seiner Festnahme noch schnell seine SIM-Karte zu
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