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Gegenwind

Gegenwind

Titel: Gegenwind
Autoren: Paul S. Kemp
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Innern des Zylinders kontinuierlich anstieg, wechselten die Zahlen auf dem Anzeigefeld vom Negativen ins Positive, und die ebenmäßigen Kurven der Diagramme wechselten von Rot auf Grün. Durch das kleine Sichtfenster beobachtete Kell, wie die Farbe ins Gesicht des Menschen zurückkehrte. Sein Hunger wurde immer unerträglicher, und die Fühler, die in den Hautfalten an seinen Wangen eingerollt waren, zuckten. Aber sein Opfer musste wach sein, ansonsten funktionierte es nicht. Also kontrollierte er seine Gier und wartete.
    Seine ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf das grüne Band der Daen Nosi . Er zupfte daran wie an der Saite eines Instruments.
    Erwache! , befahl er.
    Die Augen des Corellianers sprangen auf, groß und fast völlig schwarz. Furcht erfüllte seinen Geist, und aufgrund der mentalen Verbindung konnte auch Kell diese Emotionen wahrnehmen. Voller Genuss rieb er Daumen und Zeigefinger aneinander. Die Kontrolltafel zeigte ungleichmäßigen Herzschlag und erhöhte Atemfrequenz an. Der Mensch öffnete den Mund, wohl, um nach Hilfe zu rufen, aber seine motorischen Fähigkeiten waren nach dem langen Tiefschlaf immer noch beeinträchtigt. Die Zunge lag ihm wie ein Stück Blei im Rachen, und so war das einzige Geräusch, dass seiner Kehle entfloh, ein unartikuliertes, raues Krächzen.
    Kell betätigte einen weiteren Knopf, und der Deckel des Zylinders klappte auf. Ganz ruhig , dachte er, und schon wanderte die Aufforderung ins Bewusstsein des Menschen.
    Aber die Panik des Corellianers nahm nur noch weiter zu. Er wand sich in Kells mentalem Griff, versuchte, seine tauben Glieder zu bewegen. Schließlich fand er seine Stimme wieder. »Bitte! Ich habe nichts getan!«
    Der Anzati beugte sich über sein Opfer und legte die Hände fest um das teigige, von kaltem Schweiß bedeckte Gesicht. Der Mann wollte den Kopf wegdrehen, aber benommen und halb gelähmt, wie er war, konnte er Kells sehniger Muskelkraft nichts entgegensetzen. »Bitte«, wimmerte er. »Warum tun Sie das? Wer sind Sie? Was sind Sie?«
    Kell blickte auf die Brust des Menschen hinab, auf die Daen Nosi , die nur er sehen konnte. All die Verästelungen, die Pfade einer möglichen Zukunft, verkümmerten, bis nur noch ein einzelner Strang übrig war – eine grüne Linie, die sich mit Kells silbern leuchtendem Schicksalsfaden kreuzte – und dann verschwand.
    »Ich bin ein Geist«, flüsterte er, als die Schlitze an seinen Wangen sich öffneten. Die Fühler schoben sich hervor, dünn und lang und vor Hunger zuckend wie Schlangen.
    Der Mensch schrie. Voller Verzweiflung bäumte er sich in der Stasiskapsel auf, doch Kells Hände hielten ihn wie ein Hydroschraubenschlüssel.
    Ganz ruhig! Diesmal projizierte er die Botschaft mit mehr Nachdruck ins Bewusstsein seines Opfers. Benommen sank der Corellianer zurück. Seine Glieder erschlafften, die Lider flatterten.
    Kell beugte sich weiter vor, und seine Fühler strichen über die Schläfen des Mannes. Mit schlängelnden Bewegungen tasteten sie sich tiefer, bis sie die Nase des Menschen erreichten, den Zugang zu seinem Schädel, zu seinem Hirn, zu seinem Bewusstsein – das, was die Anzati die »Suppe« und das »Meer der Erinnerungen« nannten. Ekstatisch zuckend bohrten sich die Tentakel dann in die Nasenlöcher, drangen höher und höher. Kell verdrehte die Augen, Speichel tropfte von seinen Lippen. Er blickte hinab in das Gesicht des Corellianers, labte sich an den Veränderungen, die darin vor sich gingen.
    Der Körper des Mannes zuckte, als die Fühler sich in seinen Schädel rammten, und Tränen quollen aus seinen Augen. Sie rannen an seinen Wangen hinab zu den bebenden Lippen, die stumme Worte formten, während die Tentakel fast liebkosend über die dünne Membran um das Gehirn strichen. Blut floss aus seiner Nase, als die Fühler sich schließlich in das saftige, graue Gewebe hineinfraßen.
    Kell grunzte genüsslich, während er die Suppe seines Opfers verschlang, während seine Tentakel das um Hilfe schreiende Gehirn aushöhlten. Schließlich kam der Moment, in dem Kells Daen Nosi den Lebensfaden des Menschen absorbierte – und eins mit dem Schicksal wurde. Sein Bewusstsein dehnte sich aus, wurde weit und tief wie das Universum selbst, und er konnte all das Potenzial fühlen, das die Schwärze des Raums füllte. Die Zeit blieb stehen, und das bunte Durcheinander der Schicksalslinien entwirrte sich. Während dieses einen Sekundenbruchteils konnte er die Ordnung hinter dem Chaos sehen, das Muster, das
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