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Gefürchtet

Titel: Gefürchtet
Autoren: Heyne
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es wirklich keine andere Möglichkeit?
    »Wir schaffen das, aber du musst mir helfen«, sagte Jesse.
    »Wie?«
    »Mein Beinschlag taugt nichts. Zieh mir die Schuhe aus.«
    Jacke und Hemd hatte er schon abgelegt. Hoffentlich schluckte PJ nicht noch mehr Wasser, bis ich die Turnschuhe aufgeschnürt hatte. Jesse redete ununterbrochen mit uns beiden, um uns von der Gefahr abzulenken, aber der Rohölgestank wurde immer stärker.
    Dann hatte ich ihm endlich die Schuhe abgestreift.
    »Los«, sagte er.
    Wir stießen uns vom Pfeiler ab. Das Geräusch der auf den Strand krachenden Brecher klang von hier aus wie fernes Seufzen. Jesse schwamm mit einem Arm, mit dem anderen stützte er PJ. Dabei blickte er immer wieder zum Pier hi nauf, wo die Suzuki auf der Suche nach uns hin und her fuhr.
    »Halt durch, Bruder«, hörte ich Jesse sagen.
    Der Wind hämmerte auf uns ein, und das Wasser schwappte mir ums Gesicht.
    »Gib nicht auf, PJ. Du musst atmen.«
    Ich schwamm schneller. Hinter mir drehte der Motor der Suzuki hoch. Es gab keine Explosion, noch nicht einmal einen Knall, aber ganz langsam breitete sich in der Nähe der Ölpumpe ein roter Schein aus, der flackernd zum Leben erwachte. Das Motorrad raste davon. Der lodernde Pier erhellte die Nacht und das Wasser, in dem unsere kleine Gruppe um ihr Leben kämpfte. Jesse blinzelte mich an.
    »Sechshundert Meter, Delaney. Wer zuerst am Ufer ist.«

41. Kapitel
    Die Brecher donnerten auf den Strand. Zwei Streifenwagen rasten auf dem Pier über uns auf das Feuer zu, ohne uns in der Brandung zu entdecken. Ich kämpfte mich mit wirbelnden Armen durch die Gischt. Und spürte plötzlich Sand unter meinem Fuß.
    »Ich kann den Boden fühlen.« Unfassbare Worte. Ich blickte zu Jesse, der wenige Meter von mir entfernt PJs Arm umklammerte. Die beiden drohten, von der ablaufenden Welle mitgerissen zu werden.
    »Er erbricht.« Mühsam versuchte er, PJ auf die Seite zu drehen. »Ev, hilf mir. Übernimm du.«
    Ich schleppte PJ durch das seichte Wasser auf den Sand. Er hatte das Bewusstsein verloren. Im orange lodernden Feuerschein bemerkte ich, dass von sei nen Augen nur noch das Weiße zu sehen war. Seine Lippen hatten sich blau verfärbt.
    »Dreh seinen Kopf zur Seite«, rief Jesse.
    Wasser und Erbrochenes sickerten PJ aus dem Mund.
    »Du musst den Heimlich-Griff anwenden«, brüllte Jesse über das Tosen der Brandung hinweg. »Knie dich in Hüfthöhe über ihn.«
    Ich setzte mich rittlings auf PJ, der nicht mehr zu atmen schien.
    »Leg eine Hand auf die andere, den Handballen der unteren Hand zwischen Nabel und Rippen.« Jesse hatte
die Brandung überwunden und robbte auf uns zu. »Jetzt drückst du ihm beide Hände mit dei nem gesamten Körpergewicht in den Magen und versetzt ihm kur ze, harte Stöße nach oben.«
    Ich drückte. Erbrochenes und Wasser liefen PJ aus dem Mund. Ich stieß immer weiter, bis nichts mehr kam.
    Dann war Jesse an meiner Seite. »Ich übernehme.«
    Ich ließ mich in den Sand fallen, während Jesse mit der Reanimation begann. Er säuberte PJs Mund, überstreckte den Kopf und begann mit der Mund-zu-Mund-Beatmung.
    Jesse zitterte krampfhaft, das Haar hing ihm in Strähnen in die Augen, und der Wind peitschte Sand über seine Haut. Ohne sich darum zu kümmern, blies er zwei Mal langsam Luft in PJs Mund. Dann wartete er, bis sich PJs Brustkorb gesenkt hatte, tastete nach dem Puls und begann erneut mit der Atemspende.
    Draußen auf dem Pier flackerte das Feuer im Wind, aber es fand kei ne Nahrung. Die Feuerlöschvorrichtungen hatten sich sofort eingeschaltet, und die gelben Flammen erloschen bereits.
    Ich hörte einen mühsamen Atemzug.
    »Ja, PJ, weiter so«, sagte Jesse. »Du schaffst es, Bruder.«
    Seine Stimme war brüchig von der Kälte, seine Zähne klapperten, und die Hand, die er PJ auf die Stirn legte, zitterte.
    PJ bewegte die Beine, atmete krampfhaft und öffnete die Augen.
    »Jess?«
    Jesse streckte sich neben PJ lang aus und versuchte, ihn mit seinem eigenen Körper zu wärmen. Er zog PJ an seine Brust und rieb ihm den Rücken.
    PJ holte tief Luft. »Du hast mich geholt.«

    Jesse legte seine Wange an PJs Stirn und hielt ihn fest, als wäre er nicht dreiundzwanzig, sondern drei.
    PJ schlang den Arm um ihn. »Du hast mich gerettet.«
    Jesse sah mich an. »Die Beamten haben uns entdeckt.« Zum ersten Mal schien er wirklich daran zu glauben, dass PJ nicht verloren war.
    Ich nickte, fischte die Naltrexon-Packung aus meiner Tasche und reichte sie ihm. Dann rappelte
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