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Gefuehlschaos inklusive

Gefuehlschaos inklusive

Titel: Gefuehlschaos inklusive
Autoren: Sabine Richling
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Körper.
    Ich höre schnelle Schritte hinter mir und bin froh, dass es Christian ist, der mir meinen Mantel über die Schultern legt.
    „Claudia! Wo willst du denn hin in diesem Aufzug? Du holst dir noch den Tod.“
    Er legt seine Arme wärmend um mich herum und führt mich zum Auto. Während der Fahrt starre ich bewegungslos aus dem Fenster und bemerke nicht, wie Christian seinen Wagen zu sich nach Hause lenkt. Er fährt in die Garage ein, steigt aus und geht ums Auto, um die Beifahrertür zu öffnen. Ich sitze immer noch wie erstarrt im Wagen und versuche, meine Gedanken zu ordnen.
    „Komm“, sagt Christian und hilft mir heraus. Als wir sein Haus betreten, nehme ich endlich wahr, wo ich mich befinde.
     
    Christian entzündet den Kamin und setzt Teewasser auf. Ich sitze in eine Decke gehüllt auf dem Sofa seines Wohnzimmers, das nur durch das Feuer des Kamins beleuchtet wird. Wenn ich’s mir recht überlege, bin ich hier am falschen Platz. Ich sollte nicht bei Christian sein. Schon gar nicht nach all dem, was ich gerade erfahren habe. Allein in Sandras Wohnung möchte ich aber auch nicht sitzen. Wahrscheinlich wäre eine Bar angemessen. Ich könnte mich betrinken und dem Barkeeper von meinen Sorgen erzählen. Das ist doch sein Job! Jeder, der was auf sich hält, ertränkt seinen Kummer in Alkohol und lässt sich vom Wirt therapieren.
    Christian kommt mit zwei Tassen Tee zurück und setzt sich neben mich. Er stellt die dampfenden Tassen auf den kleinen Tisch vor uns und nimmt mich wortlos in den Arm. Das fühlt sich gut an, auch wenn ich natürlich weiß, dass es mehr als eine Umarmung zwischen uns nicht mehr geben wird. Er wiegt mich wie ein Baby und anstatt mich gegen diese befremdliche Handlung zu wehren, laufen mir Tränen übers Gesicht. Ich fühle mich wie ein kleines Kind, das gerade seine Eltern verloren hat.
    Nach unendlich langer Zeit sind die Tränen versiegt und ich brauche dringend Flüssigkeitsnachschub. Daher schlürfe ich ein paar Schlucke von meinem Tee und starre aufs Kaminfeuer.
    „Du musst euch jetzt Zeit geben, Claudia. Sicher ist es nicht leicht für dich, von deiner Adoption nach so langer Zeit zu erfahren. Deine Eltern hätten eher etwas sagen müssen. Aber jetzt, wo das Geheimnis gelüftet ist, habt ihr doch eine Chance erhalten, alles hinter euch zu lassen und wieder neu anzufangen. Das wird schon wieder.“
    Ich erwidere nichts auf Christians Bemerkung. Er kann doch gar nicht wissen, ob das wieder wird. Hat er vielleicht eine derartige Situation durchgemacht? Seine Eltern sind verstorben; ich muss zugeben, das kommt meiner Situation schon recht nah. Aber immerhin waren sie seine leiblichen Eltern und haben ihn nicht sein ganzes Leben belogen. Damit muss ich erst mal klarkommen und ich habe keine Ahnung, ob das geht. Kann man so etwas verzeihen?
    Ich stelle meine Teetasse zurück auf den Tisch und mustere Christians Gesicht. Er sieht erschöpft aus und trotz des schummrigen Lichts kann ich seine Augenringe erkennen. Die letzte Nacht muss auch für ihn recht kurz gewesen sein. Hat ihm unser Streit genauso zugesetzt wir mir? Wenn er in meiner Nähe ist, vergesse ich sofort jeden Krieg mit ihm. Plötzlich ist es nicht mehr wichtig, was vorher war. Dass er eine Freundin hat und mit mir schläft, müsste mich eigentlich an ihm zweifeln lassen und doch bleibt ein Quäntchen Hoffnung, dass er nicht der Schuft ist, für den ich ihn unter diesen Umständen halten müsste. Ich kuschle mich noch ein wenig näher an ihn, so nah, dass ich sein Herz deutlich pochen höre. Mir kommen seltsame Gedanken, die ich mir nach allem, was passiert ist, nicht erklären kann. Ich möchte, dass er mich jetzt aus der Wolldecke pellt und seine Hände über meinen ganzen Körper streichen lässt. Mein Verlangen nach ihm ist nach wie vor ungebrochen. Trotz aller Geschehnisse. Ich schäme mich dafür. Immerhin hat er mich gerade aus seinem Unternehmen gekickt. Wie kann man solch einen Menschen lieben? Ich muss verrückt sein!
    „Christian, ich danke dir dafür, dass du für mich da bist, aber ich sollte besser gehen.“ Sonst vergesse ich mich noch, denn ich bin dir mit Haut und Haaren verfallen.
    Der Kamin hat das Wohnzimmer angenehm aufgeheizt und ich bin mir nicht sicher, ob mir nur deshalb so warm wird. Doch Christian erwidert nichts und streift mir die Wolldecke von den Schultern. Eigentlich sollte ich jetzt aufstehen und seine Handlungen stoppen, aber ich kann nicht. Stattdessen streiche ich ihm über die
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