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Gefluesterte Worte

Gefluesterte Worte

Titel: Gefluesterte Worte
Autoren: Carmen Sylva
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Mensch etwas von ihnen erfahren würde. Das Mitteilen solcher Stunden, wem es auch sei, nimmt ihnen Wert und Weihe. Allerdings gehört Seelenstärke dazu, sie zu verschließen, denn man möchte wohl manchmal sein gequältes Herz ausschütten: aber besser nicht, viel besser nicht! Man hat ja seine teuern Toten, mit denen man in solchen Stunden flüstern, das Zwiegespräch halten kann, sicher, verstanden zu werden, während die lebenden Menschen selten die Zeit und das Verständnis haben, dessenin der schwachen Stunde bedürfen; und keine ist, die es nicht bereut hätte, sich mitgeteilt und ihr Herz erschlossen zu haben. Nicht Selbstverachtung ist dann das Gefühl, das einen befällt, aber doch Erniedrigung, Schwäche, Reue. Unbehagen mindestens, denn wir haben unreine Füße unser Heiligstes betreten lassen, wenigstens Füße, die nicht vorher ihre Schuhe ausgezogen, im Gefühl, daß der Boden heilig sei, sondern Menschen, die aus dem täglichen Getriebe das seine Aufschreien der gequälten Seele ganz alltäglich und trivial auffaßten. Aber wenn die Frauen doch lernen wollten, daß sie nicht dazu da sind, um verstanden zu werden, sondern um zu verstehen. Dies ist ihr heiliger Beruf, nicht der, von andern durchschaut und erkannt zu werden. Die Menschen, zumal die Männer, verstehen sehr selten die Frauen, denn der Mann ist viel einfacher in seinen Empfindungen und hat selten Zeit, ihnen zu lauschen, ihm ist's genug, wenn er seinen Herd behaglich findet, wenn er sich müde gearbeitet hat. Dann will er nicht das seine Räderwerk der Frauenseele studieren. Er hat garnicht das Bedürfnis, sie zu ergründen, sondern er denkt, das einfache Liebhaben ist genug, und sie braucht weiter nichts.
    Wenn die Frau wüßte, welche heilige Kraft es ihr verleiht, das einsame Denken in sich zu verschließen und immer und immer freundlich zu sein, so würden nicht so oft unnötige Stürme entstehen, welche die klügeren Frauen vermeiden, mit denen die tugendsamen Frauen nichts zu tun haben wollen. Anstatt eifersüchtig zu weinen, sollte man nur noch viel liebenswürdiger sein, als alle andern, sodaß der Mann beständig einsehen mühte, daß sein Herd der allerbeste Ort in der Welt ist. Natürlich kann man ihm die Pein nicht fern halten, die er auch tragen soll: die Krankheiten der Kinder. die Not, die Sorge, die beiden gleich auferlegt ist, aber die kleinlichen Dinge, welche die Frau allein bewältigen kann, sollte sie ihm nicht vorhalten, wenn er müde gearbeitet ist. Er sollte zuhause stets nur Sonnenschein und Feiertage finden, und das wäre ganz leicht, wenn eben die Frau garnicht an sich dächte, sondern nur an ihren heiligen Beruf. Daß Frauen das können, beweisen die Nonnen und solche, die ein nonnenhaftes Leben und Selbstentäußerung führen. Es ist ihnen nicht gestattet, jemals von sich selbst zu sprechen. Warum befolgen sie nicht in allen Verhältnissen diese überausweise Regel? Ihr Innenleben ist den wenigsten Menschen interessant. Sie wollen nur das Ergebnis des innerlich Erlebten sehen, nicht aber an den Kämpfen teilnehmen, die solche Reife hervorgebracht. Die Menschen möchten am liebsten Göttinnen haben, nicht schwache Frauen, die sich anlehnen wollen. Der große Irrtum besteht hier, daß die Frau, die so gut auf eignen Füßen stehen kann so lange sie unverheiratet ist, auf einmal meint, sie dürfte nun sich anlehnen, d. h. ihre Selbständigkeit aufgeben und alles von einem andern erwarten, der nebenbei ein schwacher, fehlerhafter Mensch ist, wie sie selber, den sie aber so lange zu einem Gott macht, bis sie die erste Enttäuschung erfährt. An dieser Enttäuschung ist sie allein schuld, da sie sich vorher der Täuschung hingegeben. Warum denn nicht weiter auf eignen Füßen stehen? Warum denn anlehnen, wo man oft mehr Geisteskraft hat als der bewunderte und angebetete Mann? Fest stehen und verbeißen, was quält, ein Seelenkampf, den sie am besten allein mit sich durchmacht und überwindet, wie körperliches Unbehagen, das den Frauen in überreichem Maße zugemessen ist. Der Fehler ist der erste Freund und nochschlimmer die erste Freundin, der man einen Einblick in diese Kämpfe gestattet. Wie oft bereut man später bitter, in der schwachen Stunde geklagt zu haben, da man das empfohlene bittere Wort nicht zurückrufen kann. Hierin haben die Männer mehr Würde als die Frauen. Sie haben das Gefühl, den Herd vor äußern Einblicken zu schützen und der Welt zu verbergen, was sie enttäuscht. Die Frau aber klagt und
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