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Gefluesterte Worte

Gefluesterte Worte

Titel: Gefluesterte Worte
Autoren: Carmen Sylva
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beschwert sich, und wenn ihr dann der Mann entrissen wird, mit dem sie eben garnicht leben konnte, so will sie verzweifeln, und derselbe Mann hat nur noch Eigenschaften, die man nie auserzählen kann. Warum lebt man nicht ein bißchen mehr in Gedanken an den Tod? Man würde so geduldig sein, wenn man immer Angst hätte, der Geliebte würde morgen fort sein, und man dürfte nie mehr seine Stimme hören, nie mehr über seine kleinen Schwächen lächeln, nie mehr sein Lächeln der Freude sehen bei einer kleinen Aufmerksamkeit.
    Aber nein, man denkt an sich und wieder an sich und noch immer an sich, und dann findet man, daß der Mann einen nicht auf Händen trägt. Was man sich darunter gedacht, auf Händen getragen zu werden, das bleibtdunkel, denn es war immer dunkel, aber es ist solch ein schöner Ausdruck in den Büchern, und man denkt garnicht, daß man den Mann, den Haushalt, die Kinder, die Sorgen, die Mühen, nicht nur auf Händen, nicht nur auf den Schultern, sondern im Herzen tragen muß, und daß es da oftmals drückt, wer wollte es leugnen? Die Frauen verstehen sich alle unter einander, mit einem einzigen Blick, ganz gleich, welchem Stande sie angehören, während die Männer die Frauen in den seltensten Fällen verstehen. Das war auch wohl gar nicht die Absicht. Die Frauen sollten ihrem eignen Manne stets ein wenig rätselhaft bleiben, damit er immer etwas zu entdecken hat. Selbst die körperlichen Leiden, denen die Frau ausgesetzt ist, erfüllen den Mann mit Andacht, ja mit Anbetung, wenn sie mit der rechten Würde und Geduld getragen werden. Vielleicht gab es eine Zeit, da Mann und Frau ein einziges Geschöpf waren, und daß von der Zeit der Trennung her die Legende von der Rippe entstanden ist. Nun können sie nie wieder eins werden außer in der Aufopferung, in Gedanken an die kommende Generation, für welche beide gleich ernst bedacht sind inder gegenseitigen Hilfe. Die Türken, welche vier Weiber gestatten, nicht vorschreiben, sagen: »Aber nur mit derjenigen, die das ganze Leben hindurch deine Frau war, wirst du ins Paradies eingehen.«
    Die Frauen sollten mehr der Schwäche der menschlichen Natur Rechnung tragen, und wenn sie glauben Grund zur Eifersucht zu haben, sollten sie dies mit kluger Philosophie verbergen. Wenn sie den Heldenmut hätten, diese Qual zu verbergen, so würden sie bald davon erlöst sein, statt durch Szenen und Vorwürfe zu reizen und den Mann noch abwendiger zu machen. Es hat schon manche kluge, selbstlose Frau ihren Mann wieder zu sich zurückgeführt und ihm geholfen, über eine unerlaubte Leidenschaft Herr zu werden. Alles und alles konzentriert sich immer wieder im Worte; Selbstlos! Das ist das einzige, das man allen Verhältnissen entgegenzubringen hat. Warum braucht man das einer Mutter nicht zu lehren? Die ist es von selbst und weiß es nicht einmal. Die zählt die schlaflosen Nächte nicht, nicht die tägliche Mühe, die unendliche Sorge, nichts, gar nichts, wenn nur ihr Kleines gesund und fröhlich ist und ihr manchmal zulächelt. Wer hatnoch je der Mutter zu sagen brauchen, sich selbst zu vergessen! Aber in allen andern Verhältnissen wäre dies Selbstvergessen zu erlernen. Das wäre die einzige Hilfe, da, wo das Leben zu schwer oder scheinbar zu schwer ist. Denn es ist merkwürdig, was die Frau eigentlich auf ihre Schultern nehmen und tragen kann. Daher kommt es wohl auch, daß die Männer in dieser Hinsicht oft zu viel verlangen. Sie wissen, daß die Frau Unerhörtes zu ertragen vermag. Nun aber kam die Stunde der Empörung und des Nichtmehrtragenwollens. Wie sah die aus? Sie hilft weder den einen noch den andern, denn sie war wie alle Revolutionen falsch angefangen.
    Die Frauen sagen, sie könnten noch die Untreue ihrer Männer ertragen, wenn sie nicht immer dabei noch so ungerecht würden und so viel schwerer zu haben wären, voller Launen und Vorwürfe. Aber ein wenig Geduld hätte über das alles weggeholfen. Die Männer sind ungeduldig, weil eben die berühmte Stunde der Selbstverachtung da ist, und bohrt und nagt, und ihnen ihr Leben verdunkelt; da wissen sie nicht, wie sie ihre innere Pein auslassen sollen, und weil sie im Grunde genommen große,naive Kinder sind, so lassen sie ihre Unzufriedenheit mit sich selbst an der eigenen Frau aus, deren Anblick ihnen diese Unruhe verursacht. Der Mann sagt sich, daß er ein Elender ist, daß die Frau alle die Leiden für ihn, alle die Sorgen mit ihm getragen hat, und daß er eben doch eine andere sehr schön findet, und
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