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Gefluesterte Worte

Gefluesterte Worte

Titel: Gefluesterte Worte
Autoren: Carmen Sylva
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sehr begehrenswert. Wenn die Frau in solcher Zeit geduldig wäre und vollkommen selbstlos! Das ist natürlich sehr schwer. Das Geld geht aus dem Hause, die Freude auch, ihre Einsamkeit wird unerträglich groß, denn sie hat eigentlich keinen Mann mehr. Es hat eine Frau gegeben, deren Mann ein schlimmer Geselle in der Beziehung war, und der sie oft nahe am Hungern ließ, weil er alles Geld anderwärts verbrauchte. Sie erzog ihre Kinder geduldig in der Entbehrung und im Entsagen, und hatte ihren Mann lieb und sagte: »Mein Mann kann einen Schritt tun und wird eine finden, die schöner ist als ich, und zwei Schritte und eine finden, die klüger ist und gebildeter als ich, aber in der ganzen weiten Welt wird er keine finden, die ihn so lieb hat als ich!« Liebhaben! Liebhaben! Liebhaben und immer Liebhaben!
    Nicht verliebt sein, das ist ein ganz selbstsüchtigesGefühl und führt zu keiner Aufopferung; aber Liebhaben, das ist ganz etwas anderes, das ist heilig und aller irdischen Schwäche entkleidet. Überhaupt sollte die Frau mit großer Klugheit erkennen, wann sie Geliebte sein soll, und wann Gefährte, wann begehrenswert und wann nonnenhaft; das sind solch feine Stimmungen und so zarte Nüancen, daß es der ganzen Klugheit der Frau bedarf, um sie zu erkennen.
    Warum denn sich dieser unsrer größten Kunst und Kraft entkleiden, um zu sein, wie die Männer, derb und rauh und unverständig? Es kommt aber auch viel von einem Erziehungsfehler her. Denn man erzieht die Mädchen darauf, sich für geringer anzusehen, wie die Männer, und daher kommen dann alle die schrecklichen Enttäuschungen, wenn die junge Frau entdeckt, daß ihr Mann schwach ist wie sie, und Fehler hat wie sie, und in vielen Stücken wirklich unvollkommener ist als sie.
    Anbetungswürdig ist nur das, was uns entrückt ist, darum haben die Männer für die Mutter diese tiefe Verehrung. Die Frauen könnten dasselbe haben, wenn sie ein wenig unnahbar blieben und geheimnisvoll, und nichtden Mann zu ihrem Gott machten, sondern zu ihrem Freunde, der oft Rat geben kann und oft beraten sein will.
    Alles ist natürlich dadurch erschwert, daß hier der Körper eine Rolle spielt; aber das wäre wieder die Sache der Frau, auch hieraus das Heiligste zu machen, das Erhabenste und Höchste, ein Gebet zu zweien, eine Weihe zu zweien. Die Frau begibt sich ihrer ganzen Würde, wenn sie nicht in jedem Augenblick des Lebens die zarteste Selbstbeherrschung bewahrt. Die Natur belohnt große, tiefe Liebe durch hochbegabte, schöne Kinder. Das wissen alle und haben dann die Gewissenlosigkeit, unglückliche Kinder in die Welt zu setzen, weil sie nur vergessen haben, sich lieb zu haben; so über alles lieb, so heilig lieb, daß der Himmel ganz nahe gekommen ist, und daß das Kind, was aus dieser Verbindung hervorgeht, eben vollkommen ebenmäßig, glücklich, heiter, stark und gesund sein kann. Aber ach! Der Kinder wird nicht gedacht und meistens werden sie ungern empfangen, anstatt, daß sie die Hauptsache sind. Wofür heiratet man denn, wenn man keine Kinder will? Man bleibt ja viel besser ledig.
    Man frage die Kinderlosen, was sie denken, wenn sie Familien sehen. Sie finden nie eine Familie zu groß oder einen Kindersegen zu reichlich.
    Die Kinderlosigkeit ist ein anderes schweres Leid im Frauenleben, und kostet es lange Jahre des Kampfes, bis die Entsagung kommt, da die Hoffnung immer wieder täuschend aufsteht, und zu neuer bittrer Enttäuschung Anlaß gibt. Es ist schwer, das zwischen den Eheleuten nicht Bitterkeit und heimlicher Groll entsteht, und jeder dem andern vorwirft, woran beide nicht schuld sind.
    Wenn nun gar das Kind entrissen wird, so geschieht es gar leicht, daß der einzige Schmerz, der über Menschenkräfte geht, und der ans Unerträgliche streift, einen Riß hervorbringt, und daß das Grab zwischen den Eheleuten immer offen steht, in das sie ihre ganze Liebe und ihre Hoffnung, und alles versenkt haben, was ihnen das Leben wert und lieb machte, und daß die große Müdigkeit von dem bitteren Leiden sie einander für immer entfremdet. Da wird von der Frau eine Kraft verlangt, deren sie sich selbst nicht für fähig halten würde.
    Denn bei ihr ist es ein körperliches Zerreißen, nicht nur ein grenzenloses Seelenleid. Bei ihr bluten die Eingeweide, nicht nur das Herz, und dennoch soll sie noch liebreich dem Manne tragen helfen, dem Manne, der sich nach außen hin zerstreuen kann durch seine Arbeit, während sie allein am kalten, leeren Herde sitzt, und die
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