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Gefluesterte Worte

Gefluesterte Worte

Titel: Gefluesterte Worte
Autoren: Carmen Sylva
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nichts mehr davon haben.
    Nie sollte es aussehen da, wo gesittete Frauen das wirkliche Regiment der Liebe, der Harmonie und der Aufopferung führten? Die Frauen sind im Begriffe, sich ihrer hohen Stellung und ihrer heiligsten Rechte zu begeben. Eine große Enthüllung über die Frau ist ein Wort von Nietzsche, der sagt: »Das echt männliche Gefühl der Selbstverachtung!« Das istein Gefühl, das der Frau fremd bleiben soll, das sie nie zu kennen braucht. Es müssen außergewöhnliche Verhältnisse sein, bis eine Frau lernt, sich selbst zu verachten. Denn sogar eine vor der Welt verpönte Liebe ist in ihren eigenen Augen geheiligt durch die Aufopferung, die sie hineinträgt. Also sollten die Frauen sich ihrer hohen Stellung immer bewußt bleiben, und anstatt den Männern gleich sein zu wollen, immer über ihnen stehen. Der Mann hat den Instinkt, die Frau zu verehren, in der Mutter, oft in seiner Gattin, und wieder in seiner Tochter, unter Umständen in seiner Schwester, oder in dem schwesterlichen Wesen, das ihm als Krankenpflegerin oder Hüterin seiner Kinder entgegentritt. Immer und unter allen Umständen ist die Frau in der Lage, vom Manne die größte Hochachtung zu erfahren. Freilich behandelt er sie oft als seine Sache, aber mehr aus Herzensrohheit und Unverstand. Kinder tyrannisieren am meisten die, welche sie am liebsten haben, und ahnen es nicht. Sie bedürfen der großen Pflege und fordern sie.
    Die Männer sind in der Stunde der Müdigkeit große Kinder und wollen von dem, was sie am liebsten haben, gepflegt sein, und erquicktund gehütet. Es gibt Frauen, die das wunderbar verstehen, und die haben auch noch nie gefunden, daß ihre Stellung eine verfehlte sei. Sie verfehlen sie von vornherein, indem sie kindisch und unverständig sind, und allerhand dummes Zeug im Kopf haben über ihr Leben und über ihre Stellung zum Manne. Die so denken, sollen dann einfach unverheiratet bleiben, das ist ja viel bequemer. Man entgeht den allergrößten Leiden des Lebens, indem man nicht heiratet, aber man entbehrt allerdings auch seine allertiefsten Freuden. Daß man heiraten soll, um im Alter nicht allein zu sein, das ist eine Torheit. Denn man ist immer mehr oder weniger allein durch das, was einem der Tod entrissen hat, oder durch Verhältnisse, welche die Kinder in ein fernes Land oder einem fernen Beruf entführen. In seltenen Fällen gibt es goldene Hochzeiten, wie Kauer sie gemalt hat, wo Kinder und Urenkel da sind in hellen Haufen. Man ist auch im vollen Leben oft einsam, und zumal die Frau hat viele Stunden, in denen ihr wohl das Herz schwer wird. wenn sie an die Heimat denkt mit den fröhlichen Geschwistern und der verhältnismäßigen Sorglosigkeit.
    Man sollte früh die Mädchen darauf aufmerksam machen, daß sie oft und viel allein sein werden mit ihren Gedanken, und daß sie dann ihre Zeit benutzen sollen, um dem Mann eine Gefährtin zu sein, ebenbürtig an Denkkraft und heiterer Ruhe. Dazu braucht man gar keine Gelehrsamkeit, die oft den Mann nur ermüdet, und ihm gar keine Erholung ist. Eine unverheiratete Dame, die wunderschöne Handarbeiten machte, Stickereien in den feinsten Stichen, die es geben kann, so daß sie wahre Aquarelle mit der Nadel malte, hatte die Gewohnheit, während der Arbeit ganze Bücher auswendig zu lernen, sodaß sie der Jugend endlos erzählen konnte und für Zitate nie ein Buch aufzuschlagen brauchte, sie wußte alles auswendig. Die sagte oft: »Ich habe gar kein Examen bestanden, wie die heutigen jungen Damen, weiß aber viel mehr als sie, denn ich kenne die ganze Litteratur in vier Sprachen auswendig und irre mich nie in der Geschichte. Ich habe eben immerfort gelesen, mit acht Jahren schon Shakespeare, da es zu meiner Zeit gar keine Kinderbücher gab!«
    Es konnte nichts anmutigeres geben als ihre Gespräche, und waren wir Jungen nie soglücklich als in ihrer liebenswürdigen Gesellschaft. Denn solche Belesenheit macht nachsichtig und freundlich, während die harten Examina, und das furchtbare Einpfropfen von Brotwissenschaften oft den Frauen viel Lieblichkeit wegnehmen.
    Was nun die einsamen Stunden betrifft, so wissen wir alle, daß sie oft dunkel und schwer sind, und daß wir selten eingestehen, was wir erduldet haben, nicht einmal oder vielleicht am allerwenigsten dem Manne, dem man bemüht ist stets ein heiteres, sorgenfreies Gesicht zu zeigen. Der Frauen einsame Stunden hören manchen schweren Seufzer und sehen manche stille Träne fließen. Es wäre gut, wenn nie ein
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