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Gefluesterte Worte

Gefluesterte Worte

Titel: Gefluesterte Worte
Autoren: Carmen Sylva
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mitleidslos. Denn es ist verächtlich, seinen Gaumen nicht in der Gewalt zu haben. Jedes Tier ist uns dann überlegen. Ach! In wie vielem sind uns die Tiere oft überlegen. Wir wollen es oft nicht sehen und leugnen, daß sie eine Seele haben, und sie beschämen uns jeden Augenblick mit ihrer Seelengröße und Aufopferungsfähigkeit. Würden wir so einfach und unschuldig bleiben wie sie, so würden wir auch solcher edlen Züge teilhaftig werden, die wir mutwillig in den Wind schlagen, nur, weil es uns anders bequemer ist. Ja es ist sogar bequemer, an die Abwesenheit der Seele zu glauben, das vermindert die Verantwortung.
     

Die Frauenfrage
    Die sogenannte Frauenfrage geht die Seele garnichts an. Der Frauenberuf heißt in der Natur: »Gebären« und in der geistigen Welt: »Mutter sein«. Das ist der Frauen Beruf, und wer das Gegenteil beweisen kann, beweise es.
    Nun aber wollen die Frauen ihre Gehirnkraft beweisen durch andere Arbeiten und andere Geistentfaltung, als was sie sich früher begnügten, ihren Kindern mitzugeben. Es ist eine vorübergehende Zeit, in der die Männer lernen sollen, daß sie die Frauen zu sehr als ihre Sache behandelten, und nicht mit der richtigen Anteilnahme an ihren Entschlüssen und Beratungen, nicht mit der richtigen Verantwortung, die der Frau zukommt, da sie der eigentliche Hort und Hüter der Familie ist, während der Mann nur der Ernährer sein soll. Später wird sich das wieder ausgleichen, wenn die Frauen ihre sogenannten Rechte errungenhaben, und ihr Brot verdient und ihre Fehler gemacht haben, und die Verhältnisse sich wieder so vereinfacht haben, daß der Mann genügt, um seiner Familie den Unterhalt zu erwerben, und der Frau die nötige Zeit zu lassen, ihre Kinder auch geistig auszubilden, nicht nur ihnen Suppe zu kochen und ihre Kleider zu flicken, obgleich auch das schon ein sehr großes Verdienst ist, und unsägliche Mühe in sich schließt. Das wirkliche Wissen der Frau braucht nicht so groß zu sein als ihr Wissenwollen, um den Kindern die geistige Stütze zu sein, die sie ihnen sein soll. Wenn die Menschen sich von Brot, Gemüse und Früchten ernährten, so würden die Männer ihnen ihren Unterhalt erwerben können; wenn die Frauen nicht prachtvolle Hüte brauchten, so würde sie nicht auch Brot verdienen müssen.
    Die Männer sind daran Schuld, daß ihre Frauen so geworden sind, und die Frauen sind daran schuld, daß die Männer nicht mehr genügen und in so große Versuchungen geraten. Das ideale Leben wäre auf dem Lande, in seinem eignen Garten, der das tragen würde, dessen man zur Ernährung bedarf; einfache, gesunde Kleidung und Bücher, in denen manerlernen kann, was einem keine schablonenmäßige Schule lehrt. Wie aber sieht heute die Welt aus, wo die Menschen in große Städte und riesige Häuser eingepfercht sind, nie einen Baum sehen, nie die freie Luft atmen, und nur vor Neid vergehen, weil der Nachbar Rheinwein bat, und die Nachbarin erster Klasse gefahren ist.
    Würde man einfach leben, so wäre viel mehr Geld da für Kunstgegenstände, die alle Menschen erfreuen würden, wie die schönen Kirchen, die allen offen stehen.
    Es ist unrecht, daß ein Bild einem einzelnen gehört, es sollte allen Menschen gehören. Allen, warum denn Besitz? Nur damit die schönen Dinge nicht zerstört werden. Das beweist eine außerordentliche Ungleichheit der Erziehung. Denn wären alle Menschen gleich gut erzogen, so würden sie vor Natur und Kunst den gleichen Respekt und die nötige Verehrung haben, um nie etwas zu zerstören.
    Die Frauen sollten dazu in der Welt sein, um in den Kinderseelen die Verehrung für alles Schöne zu wecken und zu pflegen. Das wäre ihr eigentlicher Beruf.
    Ein Komponist, der in einem Bauernhausewohnte, bemerkte, daß, wenn er nachts arbeitete oder sich ans Instrument setzte und seinen Eingebungen freien Lauf ließ, in der Stille der Nacht plötzlich die Leute unten leise zu beten anfingen, im deutlichen Gefühl, daß der Geist des Herrn vorüberging und daß ihr Haus in dem Augenblicke ein heiliger Tempel sei. Und diese Leute kannten weder Bach noch Beethoven noch Wagner noch Komposition noch Harmonielehre. Sie fühlten nur wahr und einfach und kochten ihm dann ihre Suppe, die seine einzige Nahrung war und ihm Kraft genug zur Arbeit verlieh.
    Das waren Italiener, deren Feingefühl groß ist bis in die untersten Schichten hinunter. Sie stammen von so hoher Bildung her, daß es ihnen atavistisch im Gehirne geblieben ist, wenn sie auch selbst
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