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Gefeuert

Titel: Gefeuert
Autoren: Julia Berger
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guter Dinge. Doch als mir die Anwältin gegenübertritt, erhält meine Zuversicht einen Dämpfer. Ich bin etwas enttäuscht. Sie trägt nur einen DIN-A- 5-Schreibblock bei sich und lächelt freundlich. Ich hätte mindestens einen Stapel Gesetzestexte und ein knallhartes Pokerface erwartet. Außerdem hat sie weder ein Kostüm an noch hochhackige Schuhe wie all die Anwältinnen, die durchs Fernsehen spazieren.
    Wir setzen uns nebeneinander an die Ecke eines überdimensionierten Konferenztisches. Ich lege ihr Kopie für Kopie mit erläuternden Worten vor und sie macht sich hin und wieder Notizen. Ich bin verunsichert. Warum zitiert sie keine Fälle, die dem meinen ähneln und die mit horrenden Abfindungen endeten?
    Nachdem alle Papiere übergeben sind und ich weiß, wie ich das Formular auszufüllen habe, damit mein Widerspruch auch korrekt ist, muss ich gehen, ohne einen konkreten Erfolg verbuchen zu können. Beim Verabschieden sagt sie: »Die Kündigung können Sie mir ja dann faxen.«
    Leicht irritiert stehe ich im Aufzug und schaue durch mein Spiegelbild hindurch. Ich bin frustriert. Von diesem Termin hatte ich mir deutlich mehr erwartet. Stattdessen bin ich so schlau wie zuvor und soll jetzt wieder heimfahren.
    Um mich nicht diesem schrecklichen Gedanken »Wie soll es jetzt nur weitergehen?« auszuliefern, flüchte ich mich in unerhebliche Überlegungen über nebensächliche Beobachtungen.Mir fällt ihre Aufforderung, ihr die Kündigung zu faxen, ein. Ich wusste nicht, dass Anwälte so aufs Faxen stehen. Womöglich ist diese juristische Entwicklung an mir Laien bislang vorbeigegangen. Ich stelle mir vor, dass der Gerichtsalltag inzwischen vom Fax bestimmt wird. In der Mitte jedes Gerichtssaals steht ein Fax und die Anwälte sind nur noch durch dieses Gerät vertreten. Ein alter Gerichtsdiener steht jedes Mal mühsam auf, wenn es klingelt, schlurft zum Fax und trägt das Papier zum Richter.
    Auf dem Heimweg summt das Handy. Mein Freund Luc ist dran. Er erzählt, dass er gerne ein »Minderleister« wäre. Ich überlege, was wohl mit ihm los ist. Luc ist, soweit ich weiß, nicht masochistisch veranlagt. Er ist nicht faul und ein Jammerlappen ist er auch nicht.
    »Verstehe ich nicht«, sage ich etwas ratlos.
    »Minderleister bekommen bei uns jetzt einen Haufen Kohle. Meine Firma will sie loswerden. Sie zahlt jedem, der geht, einen Grundbetrag von 60 000 Euro. Und dann noch mal ein paar Tausend Euro pro Jahr der Betriebszugehörigkeit!«
    »Ich wusste gar nicht, dass du deinen Job loswerden willst?«
    »Das lohnt sich doch! Wer weiß, wie es mit dem Laden weitergeht!«
    Jetzt verstehe ich. Luc will rechtzeitig den Absprung schaffen und dabei noch eine hübsche Summe einstecken. »Und wie stehen deine Chancen?«
    »Kannste vergessen. Ich war schon beim Chef. Aber er sagt, damit seien andere Mitarbeiter gemeint. Er hat sich geweigert, mich als Minderleister zu melden.«
    Neu ist die Idee seines Arbeitgebers nicht. Der amerikanische Manager Jack Welch, langjähriger Chef des Konzerns General Electric, teilte seine Belegschaft in drei Gruppen. Danach sind 20 Prozent der Mitarbeiter sehr gut und werden mit Boni überschüttet, 70 Prozent der Belegschaft machen einen ordentlichen Job und müssen weiter gefördert werden. Die restlichen zehn Prozent dagegen sind »Low-Performer«. Das einzig Richtige, was Manager mit ihnen machen können, ist laut Welch: rausschmeißen.
    Vor ein paar Jahren scheiterte der frühere Infineon-Chef Ulrich Schumacher mit dem Versuch, diese Idee in Deutschland umzusetzen. Er wollte jährlich die schlechtesten fünf Prozent seiner Mitarbeiter loswerden, stieß jedoch auf Widerstand im Unternehmen. Arbeitsrechtlich ist es schwierig, eine Kündigung wegen »Minderleistung« durchzusetzen. Die Mitarbeiter in »spitze«, »geht so« und »unterirdisch« einzuteilen, reicht dafür nicht aus. Der Arbeitgeber müsste dem einzelnen Mitarbeiter die ungenügende Leistung nachweisen können und ihn zuvor abmahnen.
    Darum setzt Lucs Firma auf Freiwilligkeit und macht den Abgang mit einem Haufen Geld attraktiv.
    »Ach weißt du, Luc. Das sagt sich so leicht, dass man gekündigt werden will. Ich werde es wahrscheinlich wirklich.«
    »Was? Wieso?«
    »Die haben unser Projekt eingestellt.«
    »Scheiße. Ist grad keine gute Zeit.«
    »Nein.«

    Ein paar Tage später bin ich noch immer nicht viel weiter. Der Sommer hält an, aller schlechter Vorhersagen zum Trotz – wäre die Kündigung nicht, ich würde das Wetter
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