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Gefeuert

Titel: Gefeuert
Autoren: Julia Berger
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genießen, was Tolles draußen machen. Stattdessen gehe ich wieder und wieder zum Telefon und drücke die Wahlwiederholung. Seit Tagen versuche ich, jemanden beim Gewerbeaufsichtsamt zu erreichen. Nie nimmt einer ab, dabei habe ich die Durchwahl meines zuständigen Sachbearbeiters. Ich will mich nicht aufs Formular verlassen und auch mündlich gegen die Kündigung protestieren. Ich hoffe, dass dieser persönliche Kontakt etwas bringt.
    »Ich weiß nicht, wie genau die sich das anschauen«, hatte die Anwältin zweifelnd gesagt. Mit meinem Anruf will ich die Behörde dazu bringen, dass sie sich wenigstens Mühe geben mit meinem Fall. Schließlich bin ich in Elternzeit und stehe damit unter einem besonderen Kündigungsschutz. Eigentlich darf mir der Arbeitgeber – wie auch während der Mutterschutzfristen vor und nach der Geburt des Kindes – gar nicht kündigen.Es sei denn, das Gewerbeaufsichtsamt stimmt zu. Das passiert nur »in besonderen Fällen« und »ausnahmsweise«, informiert das Bundesfamilienministerium. Ein »besonderer Fall« sei es zum Beispiel, wenn der Betrieb stillgelegt wird und der Arbeitnehmer nicht in einem anderen dazugehörenden Betrieb weiterbeschäftigt werden kann. Das trifft meiner Meinung nach bei mir nicht zu. Schließlich hat mein Arbeitgeber genügend Tochterfirmen, bei denen ich unterkommen könnte. Ich hoffe, dass das Gewerbeaufsichtsamt das genauso sieht. Ich bemühe mich hartnäckig, diese Behörde als Joker zu sehen, den ich noch gegen die drohende Kündigung ausspielen werde.
    Inzwischen habe ich es schon wieder mindestens zwanzig Mal klingeln lassen und fange an zu glauben, es mit einem Geisteramt zu tun zu haben, das es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Gerade als ich den Hörer auflegen will, nimmt endlich jemand ab.
    Es reicht, meinen Namen zu sagen, der Beamte weiß sofort, worum es geht. Das überrascht mich positiv. Allerdings macht er mir wenig Hoffnung.
    »Da kann ich wahrscheinlich nichts machen«, warnt er mich schon einmal vor. »Wenn die Firma geschlossen wird, kann das Arbeitsverhältnis nicht bestehen bleiben.«
    »Aber ich arbeite doch in einem Konzern …«, wende ich ein.
    »Ich hatte schon einmal so einen Fall«, sagt er und klingt resigniert, »da musste man nur über den Gang gehen und war in der anderen Firma. Aber da kann man nichts machen.«
    Ich bezweifle, dass man nichts machen kann. Aber ich weiß nicht, wie ich ihn davon überzeugen könnte. Ich kann keine Urteile zitieren, die für mich sprächen. Es ist ein ungutes Gefühl, ihm und seiner Entscheidung ausgeliefert zu sein.
    »Ich warte jetzt erst einmal auf die Erklärung vom Betriebsrat«, sagt er noch. »Vom Betriebsrat erhoffe ich mir sehr viel.«
    Was erhofft er sich da, wundere ich mich. Der Betriebsrat wird natürlich gegen die Kündigung sein.
    »Ich an Ihrer Stelle würde schon mal rausfahren und mich umschauen, dass ich anderswo unterkomme«, höre ich ihn sagen.Er wählt wirklich die Worte »rausfahren« und »umschauen«, als handele es sich um eine Landpartie.
    Noch während ich überlege, wie er sich das vorstellt mit dem Rausfahren und ob ich ein Fernglas für die Jobsuche mitnehmen soll, bedankt er sich für das Gespräch und legt auf.
    Ich bleibe unschlüssig stehen. Die Hoffnung, die ich in das Gespräch gesetzt habe, war vergeblich. Das Ganze war recht enttäuschend. »Er wird doch nicht etwa tatsächlich der Kündigung zustimmen?«, frage ich mich entgeistert. »Dafür ist mein Fall doch zu offensichtlich!« Werde ich also tatsächlich arbeitslos? Und das gerade jetzt! Ständig erfahre ich aus den Medien, dass mit einem heftigen Anstieg der Arbeitslosigkeit gerechnet wird. »Ich will da nicht dabei sein!«, denke ich trotzig. Aber auf einmal werde ich wieder pragmatisch: Wenn es sowieso zur Kündigung kommt, kann ich genauso gut gleich bei der Arbeitsagentur anrufen. Das hätte zudem den Vorteil, dieses Behördentelefonat bereits abhaken zu können. Ich hole meinen Ordner, wo ich schon einmal vorsichtshalber die Nummer abgeheftet habe, und wähle kurz entschlossen 01801 / 555111, die Hotline der Arbeitsagentur.
    Ich bin auf der Hut. Seit der Arbeitsmarktreform unter der Regierung Schröder haben sich die Arbeitsagenturen, wie die Arbeitsämter seither heißen, einen Ruf als harte Behörden erarbeitet. Meldet man sich zu spät arbeitslos, gibt es sofort Sperrzeiten, das heißt, dass das Arbeitslosengeld vorübergehend gestrichen wird. Dasselbe ist der Fall, wenn man eine Fortbildung
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