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Gefangene des Meeres

Gefangene des Meeres

Titel: Gefangene des Meeres
Autoren: James White
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auf die zwei Kabinen zusammengeschrumpft, aus denen Richards Räume bestanden. Dazu kam die obere Hälfte von Tank zwölf. Es war eine kalte, feuchte, sterbende Welt mit zitternden und hungernden Bewohnern, die in ihren eigenen Abfallprodukten zu ersticken drohten. Unter der Decke von Nummer zehn war die Luft frischer, aber niemand hatte das Verlangen, ins tintige Wasser von Nummer zwölf zu tauchen, sich durch die überflutete Verbindungstür zu tasten und in Nummer zehn an die Oberfläche emporzuschwimmen, nur um ein paar Atemzüge in einer Luft zu tun, die nicht stank.
    Sie hockten eng beisammen auf einem Haufen feuchter und schmutziger Haare und versuchten mühsam ein Spiel in Gang zu bringen. Meistens aber waren sie bis auf ihr Zähneklappern still. Bei Tageslicht beobachteten sie das von Algen getrübte Bullauge und warteten, daß etwas, irgend etwas geschehe. Und eines Tages geschah tatsächlich etwas, so unglaublich es erscheinen mochte.
    »Ein Sch-schatten!« stammelte eines der Mädchen. »Es hat sich langsam bewegt, dort oben! Habt ihr es nicht gesehen?«
    »Ich habe etwas gesehen«, sagte Wallis. »Es kann ein großer Fisch gewesen sein. Oder ein Boot an der Oberfläche …«
    Plötzlich hörten sie einen gedämpften Klang und ein Kratzen, anders als alle metallischen Ächzlaute, die im Schiff spukten.
    »Ein Boot an der Oberfläche«, sagte Wallis mit einer Stimme, die als Flüstern begann und als Schrei endete, »hat seinen Anker heruntergelassen!«
    Sekunden später hämmerten sie alle gegen Decke und Wände, mit den erstbesten Metallstücken, die ihnen in die Hände kamen. Bang-bang-bang signalisierten sie in einem hysterisch anmutenden Gleichklang, bang, bang, bang, bang-bang-bang. Sie sprachen nicht dabei, denn es war lächerlich, nach dieser langen Zeit Rettung zu erwarten, und ein Gespräch über die Möglichkeit hätte ihnen allen zu Bewußtsein gebracht, wie lächerlich und unsinnig eine solche Hoffnung war. Statt dessen hämmerten sie weiter, während die Minuten zu Stunden wurden, und es wurde ihnen warm wie nie zuvor, dann, als sie schwächer wurden, wieder kalt. In den Pausen, wenn sie nach Luft rangen, starrten sie durch das grün getrübte Bullauge und glaubten sich bewegende Schatten zu sehen oder lauschten angespannt auf das seltsame Kratzen, Scharren und Gurgeln, welches von verschiedenen Teilen des Schiffes auszugehen schien, und versuchten einander zu überzeugen, daß es sich nicht um die gleichen Geräusche handele, die sie immer hörten.
    »Es könnte sein, daß ein Teil des Mastes abgebrochen ist«, sagte Wallis in einer der Pausen. »Ein Stück rostiges Metall, das auf Deck gefallen ist …«
    Sie wollten nichts davon hören. Geschwächt, der Verzweiflung nahe, fingen sie von neuem an zu hämmern. Dann sahen sie plötzlich unten im Tank einen Lichtschein.
    Wallis und eines der Mädchen waren die ersten am Einstieg und sicherten sich einen Platz an der Leiter. Die anderen drängten sich hinter ihnen, starrten hinunter, stießen einander an und lachten. Das Wasser im Tank zwölf wurde von einer Art Lampe erhellt. Eine Gestalt in einer Umhüllung, die wie ein Taucheranzug aussah, zwängte sich unter Wasser durch die Verbindungstür, was ihr offenbar Mühe bereitete. Einzelheiten waren nicht zu erkennen, denn die Abfälle der letzten Wochen hatten das Wasser in eine kalte, stinkende Jauche verwandelt. Wallis machte sich auf einmal Gedanken über den Eindruck, den dies bei ihren Rettern erwecken mußte, und über das verwahrloste Aussehen seiner Leute und was er sagen sollte. »Hallo«, oder »Gott sei Dank«, oder »Ihr habt euch mit dem Kommen Zeit gelassen, Freunde …«
    Die Gestalt durchstieß die Oberfläche der Brühe, und Wallis sah, daß der Helm des Taucheranzuges so konstruiert war, daß das Wasser darin blieb und keine Luft eindringen konnte und daß der Kopf in diesem Helm kein menschlicher Kopf war.
     

23
     
    Die erste Meldung des Ex-Kapitäns Heglenni an das Flaggschiff wurde dort auf Band aufgenommen und lautete: »… Es handelt sich um ein größeres Schiff, das, nach seiner weit fortgeschrittenen Korrosion und Verwitterung zu urteilen, vor mehr als hundert Planetenjahren gesunken sein muß. Bei der Inspektion hörten wir aus dem Inneren in regelmäßigen Abständen Geräusche, die auf das Vorhandensein intelligenten Lebens hinzuweisen schienen, und etwas später entdeckten wir fünf lebende Gasatmer in einem der Gaseinschlüsse innerhalb des Schiffes. Als sie
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