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Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland
Autoren: Katja Schneidt
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unterwegs waren und mich ein anderer Mann auch nur anschaute, bemerkte ich sofort, wie sich Mahmuds Augen verdunkelten und seine Schläfen zu pochen begannen. Ganz schlimm wurde es, wenn ich in seinem Beisein einen Freund oder Bekannten traf. Einmal bekam Mahmud mit, wie ich einem ehemaligen Arbeitskollegen, den ich länger nicht gesehen hatte, zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange gab. Im Nu waren wir in einen handfesten Streit verwickelt, und er brüllte mich auf offener Straße dermaßen an, dass sogar einige Passanten stehen blieben. Seitdem verzichtete ich in seiner Gegenwart auf solche Gesten, dachte aber trotzdem oft darüber nach, ob es wirkliche Eifersucht oder vielleicht doch eher reines Besitzdenken war, das Mahmud in solchen Situationen so schnell aufbrausen ließ. Hin und wieder fühlte ich mich plötzlich total eingeengt und spürte auch, wie mich ein leises Gefühl der Beklemmung beschlich.
    Meinen Freunden blieb das natürlich nicht verborgen, und so dauerte es nicht lange, bis eines Tages meine beste Freundin Nina vor meiner Tür stand.
    »Ist dein komischer Freund da oder bist du allein?«, lautete ihre allererste Bemerkung.
    »Also, erstens ist Mahmud nicht komisch. Und zweitens: Er ist nicht da«, antwortete ich leicht verärgert.
    »Sorry, Katja, dass ich gleich mit der Tür ins Haus falle, aber wir machen uns echt Sorgen um dich! Ben hat dich mit deinem neuen Freund in der Stadt getroffen und mir von eurer Begegnung erzählt. Ihr müsst euch wohl heftig gestritten haben, obgleich es – wenn Ben das richtig mitbekommen hat – nur um euren Begrüßungskuss auf die Wange ging.«
    Typisch Nina! Sie kam immer sofort zur Sache.
    »Lieb von dir, Nina, aber ihr müsst euch keine Sorgen um mich machen! In der türkischen Kultur ist es einfach nicht üblich, dass sich ein Mann und eine Frau, die kein Paar sind, küssen. Deshalb war Mahmud kurz ziemlich sauer, aber er hat sich schnell wieder abgeregt.«
    Ich hoffte, dass sich Nina mit dieser Erklärung zufriedengab. Aber Fehlanzeige!
    »Das mag ja sein, aber in der deutschen Kultur ist es eben üblich, sich auf diese Art zu begrüßen. Und wenn ich mich recht erinnere, hast du mir am Telefon erzählt, dass dein Mahmud schon seit über zwanzig Jahren in Deutschland lebt. Da müsste man doch annehmen können, dass er mit unserer Kultur vertraut ist, oder etwa nicht?«
    »Nina, mach dir mal keinen Kopf! Mahmud und ich kriegen das schon hin. Wir sind ja gerade mal ein paar Wochen zusammen, da muss sich jeder erst noch auf den anderen einstellen. Weißt du, ich fühle mich zum ersten Mal in meinem Leben so richtig wohl und geborgen! Freu dich doch lieber für mich, statt das alles so schwarzzusehen!«
    Nina merkte wohl, dass sie bei mir mit ihren Bedenken auf Granit stieß, und wechselte das Thema. Ich machte uns einen Kaffee und sie erzählte mir den neuesten Klatsch aus unserem Freundeskreis. Seit Mahmud und ich zusammen waren, hatte ich mich mit meinen Freunden nicht mehr getroffen, da ich jede freie Minute mit ihm hatte verbringen wollen. Schließlich hatten wir durch meinen Thekenjob sowieso nicht so viel Zeit füreinander.
    »Denkst du eigentlich noch daran, dass Kathrin übernächste Woche heiratet und wir zum Junggesellinnenabschied eingeladen sind?«, erinnerte mich Nina. »Die anderen Mädels kommen auch alle, und Kim und Judith haben sich ein tolles Programm für den Abend ausgedacht.«
    »Na klar bin ich dabei! Ich freue mich schon total darauf.«
    In Wahrheit hatte ich diesen Termin völlig vergessen und war froh, dass Nina mich erinnert hatte.
    Als sie sich verabschiedete, umarmte sie mich fest und sah mir prüfend in die Augen.
    »Versprich mir, dass du zu mir kommst, wenn du Hilfe brauchst, Katja!«, forderte sie mich auf.
    »Mach dir keine Sorgen, Nina!«, sagte ich noch einmal. »Mahmud und ich lieben uns. Er ist halt ein bisschen anders als deutsche Männer, dafür trägt er mich auf Händen. So einen Mann habe ich immer gesucht, verstehst du? Da muss man schon mal Kompromisse machen.«
    Wie groß diese Kompromisse sein würden, konnte ich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht einmal ansatzweise ahnen.

3. K APITEL
Böses Erwachen
    M ahmud und ich waren nun schon seit sechs Wochen zusammen. Fast genauso lange führten wir Tag für Tag die gleiche Diskussion.
    »Katja, ich möchte nicht, dass du als meine Freundin in einer Kneipe arbeitest! Ich sehe doch, wie dich die Typen da anglotzen und dich am liebsten mit in ihr Bett nehmen
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