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Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland
Autoren: Katja Schneidt
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zusammen ins Kino oder schlenderten Arm in Arm durch die Stadt und guckten uns die Schaufenster an. An den Wochenenden unternahmen wir kleinere Ausflüge ins Umland. Oft blieben wir auch einfach zu Hause und ließen es uns dort gut gehen. Jeden Morgen nach dem Wachwerden sah Mahmud mir lange in die Augen und flüsterte mir » Seni seviyorum « ins Ohr – »Ich liebe dich«. Auch sonst schaute er mich oft mit einem Blick an, der so voller Wärme und Liebe war, dass mein Herz kleine Sprünge machte vor Glück. Von Anfang an nahm er die Beziehung zu mir sehr ernst. Ich war Teil seines Lebens, und er fühlte sich für mich voll verantwortlich.
    Kaum ein Tag verging, an dem er nicht eine Videokassette mit einem türkischen Liebesfilm mit nach Hause brachte. Stundenlang machten wir es uns dann vor dem Fernseher gemütlich, und obwohl ich zu dem Zeitpunkt natürlich noch kein Wort Türkisch verstand, genoss ich diese Zweisamkeit sehr. Fest eingekuschelt in Mahmuds Arm verfolgte ich die Handlung, die in fast allen Filmen identisch war: Ein Mann und eine Frau sind ineinander verliebt, doch die Umstände verbieten ihnen, ihre Liebe auch zu leben, sodass der Zuschauer bis zum Schluss zittert, ob sie sich nun kriegen oder nicht. Meist singt der männliche Filmpart dann noch herzzerreißende Liebeslieder … Obwohl diese Filme allesamt sehr kitschig waren, hatte ich mir schnell einen Lieblingsschauspieler auserkoren: İbrahim Tatlıses. Ein Lied dieses in der Türkei gefeierten Sängers und Schauspielers hatte es Mahmud und mir besonders angetan: »Mavi Mavi« lautete der Titel, und der Text drehte sich um die blauen Augen einer Frau. Da ich selbst blaue Augen habe, schien uns dieses Liebeslied wie für uns gemacht. Es dauerte nicht lange, und ich konnte den kompletten Text auswendig, ohne auch nur ein Wort Türkisch zu sprechen.
    Überhaupt versuchte Mahmud mir in vielen Gesprächen und Erzählungen sein Heimatland und seine Kultur näherzubringen. Er schilderte mir die allgemeinen Sitten und Gebräuche, und so manches Mal musste ich den Kopf darüber schütteln. Allein die Vorstellung, dass beispielsweise Eltern ihre Söhne und Töchter oft schon im Kleinkindalter miteinander verlobten oder zumindest eine Verlobung verabredeten, entbehrte für mich jeder Logik. Woher sollte denn ein kleines Kind schon wissen, was eine Verlobung überhaupt bedeutete? Und wie sollte es vor allem vorhersehen können, ob es für den ausgesuchten Partner jemals Gefühle entwickeln würde?
    »Gefühle, Katja, spielen in der türkischen Tradition keine Rolle«, erklärte mir Mahmud geduldig. »In erster Linie geht es darum, der Braut einen Ehemann zu sichern, der aus einer guten Familie stammt und später für sie sorgen kann. Und für die Eltern des Bräutigams sind wiederum die Sittsamkeit und die zukünftigen hausfraulichen Qualitäten des Mädchens maßgeblich. Oft wird auch eine Verlobung zwischen Cousin und Cousine arrangiert, damit das Brautgeld in der Familie bleibt.«
    Gefühle spielen keine Rolle? Ich starrte ihn ungläubig an. Und das erzählte mir der Mann, der am Morgen noch so zärtlich »Ich liebe dich« zu mir gesagt hatte? Und der mir beinah täglich versicherte, sein Ein und Alles zu sein?
    »Also, ich könnte nie mit einem Mann zusammenleben, für den ich nichts empfinde«, erwiderte ich nur.
    »Gefühle und Liebe bringen meistens doch nichts als Ärger, Katja!«
    Mahmud sagte diesen Satz voller Überzeugung, und ich sollte schon bald feststellen, wie recht er mit seiner Aussage hatte. Doch zunächst verließ ich mich einfach darauf, wie wichtig ich ihm war, was wiederum meiner Liebe zu ihm eine Tiefe verlieh, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte. Diese Intensität ließ mich aber auch blind werden für die Probleme, die ich eigentlich von Anfang an mit seiner dominanten Art hatte. Vor vielen Dingen verschloss ich einfach die Augen und hoffte darauf, dass mit der Zeit gewiss Besserung eintreten würde. Wenn Mahmud irgendwann mehr Vertrauen in meine Liebe zu ihm gewonnen haben würde, entspannte sich dadurch bestimmt vieles, dachte ich.
    Tatsächlich gingen unsere Meinungen oft weit auseinander, und wenn ich ihm dann meinen Standpunkt zu einem Thema erklären wollte, versuchte er jedes Mal, meine sämtlichen Argumente ins Lächerliche zu ziehen. Das machte mich rasend, weil ich mich von ihm nicht ernst genommen fühlte. Ein weiterer wunder Punkt in unserer Beziehung war seine fast schon unheimliche Eifersucht. Wenn wir zusammen
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