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Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland
Autoren: Katja Schneidt
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mich nieder.
    »Findest du das toll, mich so zu provozieren? Du machst die Gäste an und flirtest, was das Zeug hält! Willst du mich damit ärgern oder dich interessant machen?«, schleuderte Mahmud mir entgegen.
    Ich war so überrascht, dass mir die Luft wegblieb. Den ganzen Tag hatte ich mich auf unser Wiedersehen gefreut – und nun das!
    »Aber, Mahmud, warum sollte ich dich denn provozieren oder verärgern wollen?«, versuchte ich ihn zu beschwichtigen.
    »Warum benimmst du dich dann ausgerechnet heute so, wo du mit mir verabredet bist? Du hast dich die ganze Woche nicht so verhalten. So benehmen sich nur Flittchen!«, ließ er mich wissen.
    Ich war kurz davor, ihn einfach stehen zu lassen. Aber so leicht wollte ich dann doch nicht aufgeben. Ich versuchte ihm zu erklären, dass ich mich auf das Treffen mit ihm gefreut hätte und deshalb so gut gelaunt gewesen sei. Erst eine gute Viertelstunde später waren wir so weit, dass wir gemeinsam in seinem Auto saßen.
    Als wir diesmal vor meiner Wohnungstür ankamen, bat ich Mahmud noch auf ein Getränk in meine Wohnung. Trotz der Auseinandersetzung, die wir gehabt hatten, fühlte ich mich in seiner Gegenwart wieder total wohl. Ich wollte einfach mehr über ihn erfahren.
    »Nimmst du jeden Mann, den du kennenlernst, gleich mit in deine Wohnung?«, nörgelte Mahmud sofort wieder los.
    »Nein, natürlich nicht! Aber für mich bist du eben nicht jeder«, konterte ich.
    Dies schien ihm zu schmeicheln. Jedenfalls entspannten sich seine Gesichtszüge, und er gab mir einen liebevollen Stups auf die Nase. Ich genoss die zärtliche Geste und nahm seine Hand. Wie ein Liebespaar stiegen wir in die zweite Etage hinauf.
    Kaum hatte Mahmud meine Wohnung betreten, unterzog er auch schon jeden einzelnen Einrichtungsgegenstand einem prüfenden Blick. Also ging ich in die Küche, kochte uns einen Tee und kehrte schließlich mit den beiden Tassen zurück ins Wohnzimmer.
    Mahmud hatte es sich inzwischen auf dem Sofa bequem gemacht und deutete auf den freien Platz neben sich. Lieber wäre ich auf den Sessel ausgewichen, denn plötzlich bekam ich Angst vor meiner eigenen Courage. Schließlich kannten wir uns ja kaum, und es war wirklich das erste Mal, dass ich einen Mann so schnell mit zu mir nach Hause genommen hatte. Da ich aber nicht schon wieder einen Streit entzünden wollte, setzte ich mich folgsam neben ihn.
    »Jetzt erzähl du mir mal was von dir!«, forderte ich ihn auf.
    Mahmud lächelte.
    »Was möchtest du denn wissen?«
    »Alles!«, gab ich zurück.
    Er zog mich nah an sich heran und legte vorsichtig den Arm um mich. Dann begann er zu erzählen.
    Ich erfuhr, dass er im Alter von vier Jahren mit seinen Eltern und seinen sieben Geschwistern aus einem kleinen Dorf in Südostanatolien nach Deutschland gekommen war, dass er hier nun seit zweiundzwanzig Jahren lebte und seine Eltern ein Obst- und Gemüsegeschäft in der Stadt besaßen. Wenn er Zeit hatte, half er dort aus. Ansonsten verdiente er sein Geld als Vorarbeiter in einer großen Werkzeugfabrik. Außer seinen Eltern und Geschwistern lebten noch unzählige Onkels, Tanten, Vettern und Cousinen von ihm in der Nähe, sodass seine Familie zu den größten türkischen Clans der Stadt zählte. Einmal im Jahr fuhr er für drei Wochen in die Türkei, um seine Großeltern und den Rest der Familie zu besuchen.
    Als er von seiner Heimat erzählte, leuchteten seine Augen auf und ich konnte erahnen, wie gern er dort war. Die Zeit verging wie im Flug und ich spürte, wie sich allmählich die Müdigkeit in meinem Körper breitmachte. Sacht streichelte Mahmud meinen Rücken. Ich fühlte mich einfach nur wohl.
    Irgendwann verstummte er, hob vorsichtig mein Gesicht und schaute mir tief in die Augen. Mein Herz schlug mit einem Mal viel schneller und ich merkte, wie mir die Hitze in die Wangen stieg. Noch bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte, begann Mahmud auch schon, mich zärtlich und doch fordernd zu küssen. Ich warf meine letzten Bedenken über Bord und erwiderte vertrauensvoll seine Liebkosungen.
    An diesem Abend verstieß ich wirklich gegen alle meine Prinzipien, indem ich ihn gleich nach dem ersten Kuss auch direkt bei mir übernachten ließ.

2. K APITEL
Auf Wolke sieben
    D er Mai verging wie im Flug. Es war wirklich ein Wonnemonat! Die Sonne lachte vom Himmel herunter, und Mahmud und ich sahen uns jeden Tag. Meist holte er mich von meiner Arbeit im Brückenwirt ab und kam danach mit zu mir. An meinen freien Abenden gingen wir
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