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Gefangen im Zwielicht

Gefangen im Zwielicht

Titel: Gefangen im Zwielicht
Autoren: Verena Rank
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trinken, statt Bier.
    „Wir würden uns das Gebäude gern ansehen, Herr Grigorescu, sollen wir fahren?“, unterbrach Vater meine Gedankengänge.
    „Gerne. Darf ich Sie in meinem Wagen mitnehmen, Herr Bergmann?“ Alexei musterte mich. Ich war überrascht, nickte jedoch.
    „Natürlich.“
    „Das ist gut“, nickte Vater. „Ich wollte ohnehin unterwegs noch einen Brief einwerfen, lass dich von Herrn Grigorescu schon mal herumführen, ich komme sofort nach.“ Er ließ mir gar keine Zeit zu antworten, schnappte seine Autoschlüssel vom Tisch und nickte uns zu. „Kümmern Sie sich nicht um die Rechnung, die ist schon bezahlt. Bis gleich, ich beeile mich!“, rief er hektisch über seine Schulter, und schon war er verschwunden.
    „Ist Ihr Vater immer so impulsiv?“, erkundigte sich Grigorescu amüsiert.
    Ich zuckte mit den Schultern und nickte. Der Klang seiner Stimme verursachte mir Gänsehaut, ich wusste nicht, woran das lag. Der Typ war irgendwie seltsam. Er konnte höchstens vier oder fünf Jahre älter sein als ich, aber er drückte sich aus, als stammte er aus dem vorletzten Jahrhundert. Mit einem Mal war mir warm, und ich war froh, als wir kurz darauf auf die Straße traten. In diesen Restaurants war es aber auch immer so stickig.
     
    Viele Menschen nutzten den warmen Spätsommerabend zu einem Spaziergang, und so waren die Straßen gesäumt von schlendernden Pärchen, lachenden Kindern und Grüppchen von Jugendlichen. Alexei zog eine dunkle Sonnenbrille aus der Brusttasche seines Jacketts.
    „Kommen Sie, mein Wagen steht dort hinten.“ Er deutete mit einer einladenden Geste die Straße hinunter und setzte die Brille auf. Ich grinste. Die Sonne war nicht mehr so stark, dass man eine Sonnenbrille brauchte, doch wahrscheinlich wollte er cool aussehen.
    Kurz darauf saßen wir in seinem silberfarbenen Audi R8 auf dem Weg zu dem leer stehenden Geschäftsgebäude. Unterwegs sprachen wir kaum ein Wort, und ich war froh darüber. Ich fühlte mich seltsam in seiner Nähe. Fremdartige Schwingungen umgaben ihn, die ich nicht deuten konnte. Die Tatsache, dass meine mentalen Fähigkeiten bei ihm nicht funktionierten, machte mich langsam nervös. Ich hatte eine dunkle Vorahnung, was dies bedeuten konnte.
     
     
    Alexei schloss die Tür auf und bedeutete mir, vor ihm einzutreten. Als ich an ihm vorbei ging, stieg mir ein angenehmer Duft in die Nase, der von ihm ausging. Erneut fragte ich mich, warum ich seine Gedanken nicht lesen konnte.
    Weil Sie nicht alles wissen müssen, Leon. Übrigens ist der Duft von Karl Lagerfeld.
    Mir stockte der Atem, und ich fuhr herum. Alexei war damit beschäftigt, die Tür abzuschließen.
    „Ich hoffe, das Tageslicht, das durch die Fenster dringt, genügt Ihnen. Der Strom ist bereits abgeschaltet“, informierte er mich und wandte sich zu mir um.
    Ich starrte ihn perplex an.

Kapitel 2
     
    Alexei kam im Halbdunkel auf mich zu und nahm die Sonnenbrille ab. „Alles in Ordnung?“ Für den Bruchteil einer Sekunde tanzten Lichter in seinen Augen, als würde er winzige Blitze daraus abfeuern. Ich blinzelte irritiert und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Vielleicht war es ja nur ein Scheinwerfer von einem vorbeifahrenden Auto gewesen.
    „Ja, alles bestens.“ Ich wandte mich rasch ab und sah mich um. Im Laden befanden sich einige angestaubte Regale und eine Verkaufstheke aus Holz. Ich ging darauf zu und strich mit der flachen Hand darüber.
    „Sie sagten, zuletzt war ein Blumenladen hier?“
    „Ja, das ist richtig.“ Seine tiefe Stimme war plötzlich direkt hinter mir, der Luftzug seines Atems streifte meinen Nacken. Wie hatte er sich so schnell und geräuschlos nähern können? Als ich mich umdrehte, blickte ich geradewegs in seine tiefgrünen Augen. Eine geballte mentale Kraft traf auf meine Sinne, mir wurde schwummrig. Ich wich so weit zurück, bis ich mit dem Rücken an die Theke stieß und stierte ihn an.
    Haben Sie etwa Angst vor mir, Leon?
    „Was? Wieso sollte ich Angst vor Ihnen haben?“ Ich schüttelte belustigt den Kopf. Erst jetzt fiel mir auf, dass sich seine Lippen gar nicht bewegt hatten. Meine Hände krallten sich fester in das Holz der Theke, die Zahnräder in meinem Gehirn arbeiteten auf Hochtouren. Und schlagartig fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
    „Du … Sie sind ein Telepath!“, stieß ich atemlos hervor. Ich hätte es schon im Restaurant bemerken sollen, wo war mein mentales Einfühlungsvermögen geblieben?
    „Genau wie Sie.“ Er neigte sich
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