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Gefangen im Zwielicht

Gefangen im Zwielicht

Titel: Gefangen im Zwielicht
Autoren: Verena Rank
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gefielen ihr meine blauen Augen und die Art, wie ich mein dunkles Haar trug. Wenn ich an ihr vorbeigegangen war, wollte sie einen Blick auf meinen Hintern werfen. Ich lächelte zurück, worauf sich ihre Wangen rot färbten und unterbrach dann schnell die Verbindung. Es war nicht fair, aber ab und zu musste ich einfach wissen, was in den Köpfen der Menschen vorging. Vor allen Dingen beim weiblichen Geschlecht konnte ich meine Neugier kaum zügeln.
     
     
    Als ich wenig später zurückkam, saß Vater nicht mehr allein am Tisch. Er unterhielt sich mit einem Mann. Beide erhoben sich. Der Blick des Fremden kreuzte sich mit meinem, und als Erstes nahm ich seine ungewöhnliche Blässe wahr. Sofort spürte ich die geheimnisvolle Aura, die ihn umgab. Seltsamerweise war mir, als wäre ich ihm schon einmal begegnet, doch an so einen Kerl würde ich mich mit Sicherheit erinnern. Er sah aus, wie einer dieser Typen, die für Parfüm warben. Seine Gesichtszüge waren weich und doch wirkte er sehr männlich. Sein blondes Haar hatte er im Nacken zu einem Zopf gebunden, gekleidet war er in einen cremefarbenen Anzug und ein schwarzes Hemd. Meine kleine Schwester wäre sicherlich hin und weg von ihm gewesen.
    „Darf ich dir Alexei Grigorescu vorstellen? Seinem Vater gehört das Gebäude, er wird es uns nachher zeigen. Herr Grigorescu, das ist mein Sohn Leon. Er ist mein Partner.“ Vater blickte zwischen uns hin und her.
    „Guten Tag, Herr Grigorescu.“ Ich reichte ihm die Hand. Sie war kühl, er besaß einen kräftigen Händedruck.
    „Freut mich, Herr Bergmann“, erwiderte er mit einem Lächeln, das ebenmäßige, weiße Zähne entblößte. Seine Stimme klang unerwartet tief, aber sanft. Ich versuchte, in seinen Geist einzudringen. Schneller, als ich erwartet hatte, entstand eine Verbindung, doch plötzlich sah er mich mit einer Mischung aus Erstaunen und Überraschung an, in seinen grünen Augen blitzte es auf. Ich spürte einen unsichtbaren Schutzwall, der sich um seinen Geist legte. Es war nun unmöglich zu sehen, was in seinem Kopf vorging.
    Ich war froh, als Vater sich nach dem Gebäude erkundigte und wir uns setzten. Die Bedienung kam an den Tisch und nahm die Bestellung auf. Ihre Gedanken konnte ich sofort wieder lesen und was sie über Alexei Grigorescu dachte, war nicht mehr jugendfrei. Sie verdrehte sich fast den Hals nach ihm, als sie ging, um die Bestellung abzuliefern.
    Während des Essens plauderten wir über das Immobiliengeschäft, und ich überlegte, ob ich einen weiteren Versuch unternehmen sollte, in Grigorescus Geist einzudringen. Vielleicht hatte ich mir vorhin nur eingebildet, er würde mich mental abblocken? Wahrscheinlich war ich nur unkonzentriert. Bisher war es mir immer gelungen, mich auf telepathischem Wege in die Gedankengänge unserer Geschäftspartner einzuschleichen. Grigorescu war offensichtlich ein hartnäckiger Fall.
    Nach dem Essen gingen wir zusammen die Papiere und Pläne durch und unterhielten uns ungezwungen über verschiedene Themen. Die Grigorescus besaßen mehrere Grundstücke und Gebäude in Berlin und im Ausland, die sie vermieteten und auch teilweise zum Kauf anboten. Während des Gesprächs spürte ich eine merkwürdige Spannung. Grigorescu schien unnahbar und geheimnisvoll.
    „… und so haben wir uns entschlossen, das Gebäude zu verkaufen“, beendete Alexei seinen Satz, während mich sein stechender Blick traf. Ich hob mein Glas und fixierte rasch das Schwarzweißbild von Hans Albers.
    „Er war ein begnadeter Schauspieler“, bemerkte Alexei, der meinem Blick gefolgt war. „Ich habe ihn einmal in Hamburg getroffen.“ Er nippte an seinem Rotwein. „Ist jedoch schon eine ganze Weile her.“
    Vater lachte über den Witz, ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
    „Na klar“, antwortete ich belustigt. „Leben Sie schon immer in Berlin, Herr Grigorescu?“
    „Ursprünglich stammen wir aus Rumänien, wir kamen hierher, als ich noch ein Kind war.“
    Während er sprach, hörte ich in meinem Kopf eine Stimme flüstern: Du bist hinreißend … wunderschön.
    Ich sah mich überrascht um. Wessen Gedanken hatte ich denn jetzt schon wieder versehentlich gelesen? Am Tisch neben uns saß ein älteres Paar. Links davon in einer Ecke tuschelten drei Damen, die aussahen, als kämen sie gerade von einem Treffen der unbefriedigten Hausfrauen. Sie tranken Prosecco und rauchten Kette. Also von schön und hinreißend war hier weit und breit keine Spur. Vielleicht sollte ich lieber Wasser
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