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Gefangen im Zwielicht

Gefangen im Zwielicht

Titel: Gefangen im Zwielicht
Autoren: Verena Rank
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Jahrhundert.
    Ich nahm mir die Zeitung. Das Papier war vergilbt und fühlte sich speckig an. Mein Blick fiel auf das Titelbild. Die Fotografie zeigte einen Oldtimer, darüber stand der Name Patent Motorwagen Benz Viktoria . Unter dem Foto stand die Schlagzeile:
    Carl Benz spezialisiert sich nun endgültig auf den Fahrzeugbau und gründet in Ladenburg die Firma Carl Benz Söhne.
    Ich suchte nach dem Datum, und als ich es fand, hätte ich beinahe die Zeitung fallen lassen. Sie stammte aus dem Jahr 1909.
    Behutsam schlug ich sie auf und betrachtete die alten Fotos und Zeichnungen. Anscheinend sammelte dieser Grigorescu Antiquitäten.
    Plötzlich wurde die Tür geöffnet, und ich fuhr herum. Im Türrahmen stand ein älterer Mann, ich schätzte ihn etwa auf siebzig. Er war blass wie ein Geist, besaß hellgraue, tief liegende Augen und hohe Wangenknochen. Seine Züge waren kantig, was ihm den Eindruck von Härte verlieh. Er hatte langes, graues Haar, das er im Nacken zu einem Zopf gebändigt trug. Gekleidet war er in einen schwarzen, altmodischen Anzug mit einem Gehrock aus Samt. Es fehlte ihm nur noch der Zylinder auf dem Kopf und das Bild wäre perfekt gewesen. Warum hatte ich das irgendwie geahnt? Er musterte mich, schien überrascht zu sein.
    „Verzeihung, junger Mann. Ich hatte jemand anderen erwartet.“ Er sprach mit einem starken, osteuropäischen Akzent, und seine Stimme klang tief und fest. Irgendetwas in seinem Blick war bizarr, doch ich konnte es auf die Schnelle nicht ausmachen. Ich legte die Zeitung zurück, nahm meine Aktentasche und erhob mich.
    „Guten Abend, mein Name ist Leon Bergmann. Ich komme im Auftrag meines Vaters für Bergmann-Immobilien, um die Unterlagen für das Gebäude in der Oranien Straße abzuholen.“
    Seine Miene hellte sich auf, er kam mir entgegen und reichte mir die Hand zum Gruß. Sie war kalt, die Haut rau und hart wie Sandpapier.
    „Serban Grigorescu … sehr erfreut.“
    Instinktiv versuchte ich, in seinen Geist einzudringen. Die mentale Mauer, an der ich jedoch abprallte, war von solch enormer Kraft, dass ich erschauderte und ein Aufkeuchen unterdrückte. Er durchbohrte mich mit durchdringendem Blick, zugleich spürte ich einen kurzen, aber intensiven Kopfschmerz. Als hätte jemand mit einer Nadel in meinem Gehirn herumgestochert.
    Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen und biss die Zähne zusammen. Er war also auch ein Mentalist, und ich hatte mich ein zweites Mal gnadenlos blamiert.
    Doch er sprach mich nicht darauf an und machte eine einladende Handbewegung auf die offen stehende Tür seines Arbeitszimmers.
    „Lassen Sie uns in mein Büro gehen, ich werde Ihnen die Unterlagen sofort heraussuchen.“
    Ich betrat vor ihm den Raum. Warum fühlte ich mich gerade wie ein Insekt, das sich in einem Spinnennetz verfangen hatte? Die Spinne hinter mir schloss die Tür.
    Grigorescu ging auf seinen Schreibtisch zu und bot mir den Gästesessel an.
    „Bitte, nehmen Sie Platz, Herr Bergmann.“ Ohne mich aus den Augen zu lassen, ging er um seinen Arbeitsplatz herum und wartete, bis ich mich setzte.
    Mein Blick schweifte kurz durch den Raum. Wie überall in der Villa war hier alles abgedunkelt. Ohne die altmodische Schreibtischlampe wäre es gänzlich finster gewesen. Die Möbel waren aus dunklem Eichenholz, und der Schreibtisch vor dem Flügelfenster machte den Eindruck, als wäre er mindestens so betagt wie der alte Herr selbst. Auf dem Schreibtisch türmten sich Papierstapel und Ordner. Mir fiel auf, dass es keinen Computer gab, und ich fragte mich, wer heutzutage noch auf diese Weise arbeiten konnte. Überhaupt schien die Zeit hier stehen geblieben zu sein, was nicht nur die Standuhr bewies, deren goldenes Pendel stillstand. Auch hier befanden sich mehrere Bücherregale und ein antiker Rollladenschrank für Aktenordner. Der mit Leder gepolsterte Stuhl, in dem Grigorescu nun ebenfalls Platz genommen hatte, war verschlissen und hatte seine besten Jahre lange hinter sich. Der Geruch von Staub war hier so intensiv, dass ich den Drang zu niesen unterdrücken musste.
    Ich stellte meine Aktentasche neben mir auf dem Boden ab „Mein Vater hat ja heute Morgen mit Ihnen telefoniert. Er wird die Unterlagen noch einmal durchsehen, aber ich denke, soweit ist alles in Ordnung. Melden Sie sich, wenn Sie den Termin beim Notar haben?“
    Serban Grigorescu musterte mich.
    „Lieber wäre mir, wenn Sie dann noch einmal persönlich vorbeikommen würden.“
    Ich senkte rasch den Blick und zupfte
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