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Gefangen im Zwielicht

Gefangen im Zwielicht

Titel: Gefangen im Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Rank
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Sie, Herr Bergmann. Ich werde Sie hinausbegleiten.“
    „Danke, aber ich finde selbst hinaus.“ Als ich auf den Flur eilte, hörte ich, wie Alexei lautstark mit seinem Vater sprach. Es hörte sich an, als würde er ihn zurechtweisen. Ich vernahm Wortfetzen wie: „Das kannst du nicht machen.“ Und: „Es ist jedes Mal dasselbe.“
    Die Tür fiel donnernd ins Schloss, dann näherten sich Schritte von hinten.
    „Leon! Warten Sie!“
    Schnell hatte er mich eingeholt. Viel zu schnell. Wieso schienen sich in dieser Familie alle mit Lichtgeschwindigkeit fortzubewegen?
    „Es tut mir leid, mein Vater ist ein bisschen … schwierig.“
    Ich schüttelte den Kopf, während ich weiter eilte. „Schwierig? Mit Verlaub – ich glaube, das ist noch etwas gelinde ausgedrückt.“
    „Ich muss mich für sein Benehmen entschuldigen, Herr Bergmann. Falls er Sie bedrängt hat, tut es mir leid.“
    Ich blieb abrupt stehen. „Hören Sie. Wenn unser Geschäftsabkommen nicht auch das meines Vaters wäre, würde ich Ihnen noch viel mehr sagen, aber so werde ich mich zurückhalten.“
    Alexei fixierte mich, er schien sich keiner Schuld bewusst. „Nur zu, ich versichere Ihnen, es wird unter uns bleiben.“
    Ich schnaubte. „Die Nummer, die Sie gestern Abend abgezogen haben, war alles andere als witzig. Ich hab Sie längst durchschaut.“
    Er zuckte mit den Schultern. „Es sollte auch nicht witzig sein.“
    Einen Moment war ich wirklich versucht, ihm Glauben zu schenken, aber sein verdutzter Ausdruck war sicher auch wieder so eine Masche von ihm.
    „Jetzt tun Sie nicht so! Sie haben gestern versucht, meine Gedanken zu beeinflussen … das war ein schwerer Eingriff in meine Privatsphäre.“
    „Das haben Sie bemerkt?“ Er wirkte beeindruckt.
    „Also geben Sie es zu?“, zischte ich verärgert.
    „Nun, also … ich wollte Ihre Fähigkeiten testen. Ich wollte wissen, inwieweit Sie sich vor solch mentalen Angriffen abschirmen können.“
    „Das ist ja wohl nicht Ihre Aufgabe! Entschuldigen Sie, aber ich muss jetzt gehen!“ Ich setzte meinen Weg fort und fluchte.
    „So warten Sie doch!“ Schon wieder war er innerhalb einer Sekunde neben mir.
    Ich wandte mich ihm genervt zu. „Was?“
    Er strich sich eine verirrte Haarsträhne hinter das Ohr und seufzte.
    „Das war sehr unüberlegt und dreist von mir, ich weiß nicht, was mich da geritten hat. Ich möchte mich aufrichtig dafür entschuldigen. Ich bewundere Menschen, die diese Gabe mit mir teilen, doch manchmal gehen die Pferde mit mir durch, in meiner Wissbegier.“
    Ich musterte ihn skeptisch. Er sah wirklich reumütig aus, und ich kannte diese Neugier nur allzu gut von mir selbst. Schließlich nickte ich. „Schon in Ordnung. Vielleicht habe ich ja auch etwas überreagiert.“
    Ein Lächeln zuckte um Alexeis Mundwinkel. „Dann also Frieden?“, fragte er vorsichtig.
    „Ja klar … Frieden.“ Plötzlich mussten wir beide grinsen.
    „Eigentlich schon seltsam“, stellte ich fest. „Ich hab bis jetzt nur wenige andere Mentalisten getroffen und wenn, dann wusste ich vorher Bescheid darüber.“
    „Mir geht es ebenso“, bestätigte Alexei.
    „Ich muss jetzt wirklich gehen.“ Mit einem Mal wurde mir bewusst, dass ich die Unterlagen in meinen Händen geknetet hatte, bis sie völlig zerknittert waren.
    „Natürlich. Ich begleite Sie bis zum Tor.“
    Schweigend gingen wir die Treppe hinunter, durch die Eingangshalle hinaus und über den Kiesweg, der zum Gartentor führte. Es dämmerte bereits. Nebelschwaden hingen dicht über dem Boden, wanden sich wie Schlangen um unsere Knöchel und krochen uns die Beine hinauf. Am Tor legte Alexei die Hand auf die Klinke und wandte sich zu mir um.
    „Wissen Sie, mein Vater ist nicht immer so gewesen. Seit dem Tod meiner Mutter ist er sehr einsam und lädt manchmal wildfremde Menschen ein. Er benimmt sich oft sehr eigenartig, aber im Grunde ist er ein guter Mensch.“
    Toll. Jetzt hatte er es geschafft, dass mich das schlechte Gewissen drückte.
    „Das tut mir leid“, entgegnete ich. „Das konnte ich nicht wissen.“
    „Natürlich nicht.“ Alexei öffnete das Tor.
    Ich räusperte mich. „Hören Sie … mein Vater gibt nächstes Wochenende eine Wohltätigkeitsveranstaltung. Kommen Sie und Ihr Vater doch vorbei. Sie sind herzlich eingeladen.“
    Sein Gesicht hellte sich auf. „Wir nehmen Ihre Einladung sehr gerne an.“
    „Übrigens glaube ich, sind wir noch nicht so alt, dass wir uns unbedingt siezen müssen, oder?“ Ich streckte ihm

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