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Gefährtin Der Finsternis

Titel: Gefährtin Der Finsternis
Autoren: Lucy Blue
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Fremde ihr befohlen und sich vollendet verbeugt. »Euer adliger Ehemann wird sogleich eintreffen.« Sechzehn Jahre alt, noch in Trauer um ihren Vater, elend vor Kummer, hatte sie den Boten verwundert angesehen, unfähig, ihren Ohren zu trauen. Ihr Ehemann? Wozu brauchte sie einen Ehemann? Als sie sich nun an diesen Moment erinnerte, der bereits zehn Jahre zurücklag, presste sie noch immer vor Zorn die Zähne zusammen.
    »Schon gut, Kind«, hatte Brautus, der riesige Hauptmann der Wache ihres Vaters sie getröstet, als der Bote gegangen war. »Lass ihn nur kommen.«
    Und so war der Schwarze Ritter geboren worden. Als der vom König erwählte Favorit eingetroffen war, um Anspruch auf sie und Schloss Charmot zu erheben, hatte er einen bereits dort ansässigen Dämon vorgefunden, einen mit einem Kettenpanzer bekleideten Berg mit einem kohlschwarzen Helm wie ein Teufelskopf. Brautus war schon damals kein junger Mann mehr gewesen, aber er war dem aufgeblasenen Höfling, den König Henry erwählt hatte, um über dieses abgelegene, überwiegend unrentable Landgut zu bestimmen, mehr als gewachsen. Tatsächlich hatte er den armen Ritter so mühelos besiegt, dass Isabel Mühe hatte, ein Lachen zu unterdrücken, während sie in ihrem besten weißen Gewand von den Zinnen aus zusah, die perfekte junge Maid in Not. »Rettet mich, Herr Ritter«, hatte sie gerufen, als die Schildknappen des armen Säufers ihn, verletzt und verwirrt, über die natürliche Brücke zurückschleiften, die die Insel sozusagen mit dem Festland verband. »Rettet mich vor diesem Ungeheuer.« Aber der Untertan König Henrys hatte bereits genug von ihr und ihrem Schloss gesehen. Sobald er auf sein Pferd gehievt worden war, ritt er ohne einen Blick zurück davon.
    Andere waren gekommen, um den Schwarzen Ritter herauszufordern, ausreichend viele, damit daraus eine Legende entstand. In den ersten Jahren endeten die meisten der Ritter, die kamen, ebenso erbärmlich wie der erste – die verzweifelten jüngeren Söhne unbedeutender Adliger, die ein eigenes Gut erringen wollten, oder ältere, in Ungnade gefallene Männer, die sich nach einer Zuflucht sehnten. Aber im Laufe der Zeit verloren die wahren Adligen das Interesse an Isabel und ihrem Schloss, da beide mehr Ärger bedeuteten, als sie wert waren. Stattdessen kamen Söldner und Schurken, böse Männer mit wenig Interesse an jungen Mädchen und Schlössern, Männer, die sich einen Namen als noch tödlichere Mörder machen wollten, als es der Schwarze Ritter von Charmot war. Und während dieser ganzen Zeit wurde Brautus älter. Mit inzwischen über sechzig war sein Herz noch immer gleich stark, aber seine Glieder wurden täglich schwächer. Bisher hatte er es immer noch geschafft, jeden Herausforderer, der kam, zu besiegen, aber es war jedes Mal unsicherer, ob er noch einmal siegen würde. Im Vormonat hatte er sich bei einem Geplänkel mit einem flämischen Söldner, der nur halb so alt und fast gleich groß war, die Schulter gebrochen. Nun kam ein weiterer Herausforderer, ein Franzose namens Michel.
    »Ein Mittel gegen Fieber – nützlich, Papa, aber nicht das, was ich brauche.« Isabel legte die erste Schriftrolle beiseite und entrollte eine weitere. Ihr Vater hatte einen Großteil der in den Höhlen gelesenen, uralten Heilkunde der Druiden in einem Buch zusammengefasst, das sie oben aufbewahrte. »Ich brauche ein Wunder.« Ihr Vater würde ihr zweifellos sagen, sie solle einen Priester konsultieren, aber das hatte sie, im Vertrauen, bereits getan. Pater Colin von der Kapelle des Heiligen Joseph hatte sich als ihr Unheilsverkünder erwiesen. Charmot besaß kein eigenes Dorf, aber es war die einzige Festung in der Region, die einzige Zuflucht in Zeiten der Unruhen, und das einfache Volk kannte Isabel und bemitleidete sie in ihrer Not. Sie errichteten für sie eine Art Spitzelsystem, hielten auf allen Straßen nach Rittern mit Forderungen Ausschau, damit sie und Brautus stets vorbereitet waren, um sie wieder fortschicken zu können. An diesem Morgen hatte Pater Colin von seiner Kirche aus eine seltene Pilgerfahrt unternommen, um ihr zu sagen, er habe von einem schurkischen Ritter gehört, der gerade aus Frankreich gekommen sei, mit einem Gefolge reiste und sich unterwegs seiner empörenden Niedertracht rühmte.
    Die zweite Schriftrolle enthielt nur Notizen, keine zusammenhängende Schilderung – ein Teil der Forschung ihres Vaters. Eine Ecke trug den eigenartigen Kode, den Sir Gabriel benutzt hatte, um seine
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