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Gefährliches Spiel

Gefährliches Spiel

Titel: Gefährliches Spiel
Autoren: Lisa Marie Rice
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nach Budva in Montenegro. Von dort würde ein Schiff ihn und seine Ladung nach Kanada bringen. Das letzte Stück über die Grenze in die USA nach Vermont würde er mit einem Lastwagen zurücklegen.
    Der Pilot kündigte leise an, dass sie in einer Minute starten würden. Genau sechzig Sekunden später rollte das schlanke Flugzeug los, hob ab und wandte sich gen Westen.
    Parker’s Ridge, Vermont
    18. November
    Der Mann mit den zerstörten Händen und der zerstörten Seele verwendete einen Eingabestift, um den Ausknopf seines Handys zu drücken. Er konnte den Zeigefinger und den Daumen zwar noch benutzen, aber nur wie eine Pinzette. Der pflichtbewusste Gefängniswärter, der seine Hände damals mit einem Hammer bearbeitet hatte, hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Aber mit einem Eingabestift war er in der Lage, die Buchstaben oder Zahlen auf einer Tastatur oder einem Nummernfeld zu drücken. Er konnte saogar selbst essen. Er konnte sogar ein Glas Wodka hochheben.
    Das reichte.
    Wassily Worontzoff warf einen Blick aus dem Panoramafenster seines Arbeitszimmers und sah zu, wie der Wind an den blattlosen Ästen einer großen Eiche rüttelte. Auch wenn es erst früher Nachmittag war, war der Himmel fast schwarz. Die Wettervorhersage hatte für die Nacht Schnee und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt prophezeit. Die Stimme des Sprechers hatte dabei so ernst geklungen, als würde er eine unvermeidbare Katastrophe ankündigen.
    Wassily hätte gelacht, wenn er noch fähig gewesen wäre zu lachen. Wie schwach die Amerikaner waren! Wie leicht sie verzweifelten! Er war der Überlebende von Kolyma, dem grausamsten Gefangenenlager der Sowjetunion, wo die Insassen bei minus sechzig Grad in den Goldminen arbeiten mussten. Es war so kalt gewesen, dass die Tränen auf den Wangen gefroren. Sie fielen in glänzenden Kristallen mit einem fröhlichen Klirren auf den hart gefrorenen Boden und straften die Hölle, in der die Gefangenen lebten, Lügen. Die Seks hatten dieses helle Klingeln „das Flüstern der Sterne“ genannt.
    Wie viele Tränen er vergossen hatte, als er seine geliebte Katya verloren hatte. Die Sterne hatten immerzu geflüstert.
    Er hatte ein Gedicht darüber geschrieben, mit Tinte aus verbranntem Schuhleder auf einem Stück Stoff von einem Hemd, das ein Sek gestiftet hatte, der unglaublicherweise entlassen werden sollte. Es war in Moskau veröffentlicht worden. Als aus fünftausend Kilometern Entfernung die Nachricht bei ihnen ankam, dass der Insasse Wassily Worontzoff ein Gedicht über Kolyma geschrieben habe, waren die Wachen in einen Rausch der Grausamkeit verfallen. In dem Glauben, dass ein Autor ohne Hände nicht schreiben könne, hatten sie daraufhin seine Hände zertrümmert.
    Dumme, dumme Männer.
    So viel hatte sich seit damals verändert.
    Wenn die Wachen, die ihn gefoltert hatten, nicht an einer Wodkavergiftung gestorben waren, dann lebten sie von rund fünfzig Dollar in einem Rattenloch irgendwo in Russland. Und er – er war reich jenseits jeder Vorstellung und kurz davor, der mächtigste Mann der Welt zu werden, mit der Fähigkeit, große Städte einfach wie eine Lampe auszuschalten.
    Er war nun fähig, bei seiner geliebten Katya zu sein.
    Er hatte sie in Kolyma verloren, aber er hatte sie wiedergefunden in diesem kleinen amerikanischen Kaff mit seinen Birken und Lärchen, die den Wäldern um die Datscha, die sie außerhalb Moskaus hatten, so ähnelten.
    Charity hieß sie nun. Charity Prewitt. Ein absurder Yankee-Name. Er hasste es, sie Charity zu nennen. Sie war Katya. Seine Katya, auch wenn sie das noch nicht wusste.
    Aber bald würde seine Scharade vorbei und sie wieder bei ihm sein.
    Er war der Wor. Unglaublich mächtig.
    So mächtig, dass er Katya von den Toten zurückholen konnte.
    Parker’s Ridge
    „Haben Sie in letzter Zeit was Gutes gelesen?“
    Die junge Frau, die in der Bibliothek von Parker’s Ridge County Bücher stapelte und Zeitungen sortierte, drehte sich überrascht um. Es war kurz vor Ende der Öffnungszeit, und auch sonst war die Bibliothek nie von Besuchern überlaufen. Um diese Zeit war sie eigentlich immer wie ausgestorben. Nick Ireland wusste das sehr genau. Er hatte sie seit einer Woche beobachtet.
    „Oh! Hallo, Mr Ames.“ Ihre Wangen röteten sich vor Freude, ihn zu sehen. „Brauchen Sie noch etwas?“ Sie blickte zu der großen altmodischen Uhr an der Wand. „Wir schließen gleich, aber ich kann gerne eine Viertelstunde länger bleiben.“
    Er war schon heute Morgen hier
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