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Gefährliches Spiel

Gefährliches Spiel

Titel: Gefährliches Spiel
Autoren: Lisa Marie Rice
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Als sie sich auf den dreckigen Boden kniete, zog sie ihren Ehering vom Finger. Sie führte ihn an die Lippen, küsste ihn und streckte den Arm aus, um ihn vorsichtig auf den Sargdeckel zu legen. Ihre Hand verweilte dort einen Moment, als könnte sie es nicht ertragen, diese letzte Verbindung abzubrechen.
    Der ältere Mann ging langsam zu ihr zurück. Als sie keine Anstalten machte, sich zu erheben, legte er seine Hände auf ihre Schultern, um sie zum Aufstehen zu bewegen. Sie kam auf die Füße und ließ sich wegführen, blieb nur noch einmal stehen, um sich umzudrehen und sanft einen letzten Kuss zurückzuwerfen.
    Es war eine herzzerreißende Szene, und Iceman fühlte, wie sich ein schwerer Stein auf seine Brust senkte. Dann schüttelte er das Gefühl ab.
    Sei nicht albern , sagte er sich voller Ungeduld, während er begann, seine Spuren im Unterholz zu beseitigen.
    Er musste hier verschwinden. Sofort . Es gab keinen Grund mehr für ihn, hier zu sein. Die Mission war beendet, jedenfalls für ihn.
    Aber es kam eben nicht jeden Tag vor, dass ein Mann seiner eigenen Beerdigung zusehen konnte.

 
    1
    10 Tage zuvor
    Atomkraftwerk Krasnoyarsk,
    Russland
    18. November
    Der Pilot wartete wie vereinbart allein am Fuß der Rolltreppe. Der Flug war nicht angemeldet, das Flugzeug existierte offiziell gar nicht, und ein Kopilot war nicht vorgesehen. Je weniger Personen beteiligt waren, desto besser.
    Sie befanden sich auf einer Startbahn am hinteren Ende eines Militärflughafens, der stillgelegt worden war, als die Sowjets die Macht verloren. Ein Pilot und ein Nuklearingenieur. Ihnen waren nur Vornamen genannt worden. Lyosha und Edik. Beide Namen waren falsch, aber das war egal.
    Der Nuklearingenieur, dessen richtiger Name Arkady Sergeyevitch Andreyev war, wusste die eine Sache von dem Piloten, die wichtig war: Er war ein Sek , ein ehemaliger Insasse des russischen Gulags. Sie waren beide Mitglieder dieses sehr exklusiven Klubs – Männer, die die grausame Umarmung des russischen Bären überlebt hatten.
    Die Männer gaben sich nicht die Hand. Aber als der Pilot die Hand ausstreckte, um Arkady mit der Sackkarre zu helfen und den schweren Behälter aus dem Lieferwagen auf eine Transportpalette umzuladen, sah Arkady, was er erwartet hatte: eine Stacheldrahttätowierung um das Handgelenk des Piloten.
    Ehemalige Häftlinge trugen ihre Erfahrungen in der Hölle nicht nur in ihrer Seele, sondern auch auf ihrer Haut. Arkadys Körper war von Tätowierungen übersät, von den Sternen auf seinen Knien, die bedeuteten, dass er sich niemandem unterwerfen würde, bis hin zu den Kreuzen, die für seine Jahre im Gulag standen. Er trug sie mit Stolz.
    Die einzige freie Stelle auf seiner Haut war ein großer, glänzender, vernarbter Fleck über seinem Herzen, wo er einst eine Tätowierung von Lenins markanten, spitzbärtigen tatarischen Gesichtszügen getragen hatte. Sowjetische Gefängniswärter waren ein abergläubischer Haufen und würden nie auf das heilige Bild Lenins schießen.
    Am Tag, als das Lager fiel, hatte er aus der verlassenen Wärterbaracke einen Lötkolben gestohlen und sich den Leninkopf selbst weggebrannt. Er war so glücklich gewesen, seinen Körper von dem monströsen Bild zu befreien, dass er die Schmerzen nicht gespürt hatte.
    Die beiden Männer, Arkady und der Pilot, nahmen schweigend die Tätowierungen des anderen zur Kenntnis. Mehr musste nicht gesagt werden. Sie waren Mitglieder der Bratva , der Bruderschaft. Das war alles, was sie wissen mussten.
    Der schwere Bleicontainer wurde in den Laderaum der Tupolew Tu-154 geladen, wo der Pilot ihn vorsichtig an der Wand festschnallte. In dem Behälter befand sich ein großer, ebenfalls mit Blei verkleideter und mit Cäsium 137 gefüllter Kanister, genug für eine sehr große, schmutzige Bombe. Genug, um die Innenstadt von London oder New York oder Paris oder Rom oder Berlin oder Washington, D.C. zu zerstören, um eine lebendige Stadt vom Angesicht der Erde zu tilgen und sie in eine Wüste aus verlassenen Betoncanyons zu verwandeln, die in den nächsten Zehntausenden von Jahren kein Mensch oder irgendeine andere Lebensform betreten konnte.
    Der Pilot schloss die Tür zum Laderaum und kam in die kleine Kabine, von wo aus Arkady das Einladen des Behälters beobachtet hatte.
    „Ist alles in Ordnung?“, fragte der Pilot leise.
    Arkady wusste genau, was er meinte. Er nahm es ihm nicht übel. Dies war ein gefährliches Geschäft.
    Statt zu antworten, öffnete Arkady seinen
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