Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
und Hester eilten hinter ihm her. Draußen herrschte die typische winterlich-neblige Dunkelheit. Es war fast so, als würde man in eine dämpfende Schicht Kleider eintauchen, die sich kalt und klamm um einen legte, nur dass sich der Nebel vor einem auftat und hinter einem wieder schloss und einem jede Orientierung raubte. Alle Geräusche schienen von dem Nebel verschluckt zu werden.
    »Warum sollte sie mit Pendreigh gehen?«, fragte Charles ein paar Schritte weiter im Dunkeln. »Was sollte er für sie tun können? Wie kann er helfen? Wie sollte er sich bei dem, was er eben über seine Tochter erfahren hat, um den Kummer von jemand anderem kümmern können?« Er drehte sich um und stieß in der undurchdringlichen Dunkelheit fast mit Monk zusammen. »Glauben Sie, er versucht, sie zu retten, weil er Elissa verloren hat?« Seine Stimme wurde vor Panik immer höher, er hatte sie nicht mehr unter Kontrolle.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Monk unwirsch. Er stolperte über den Bordstein und fluchte. »Aber warum, in Gottes Namen, haben die beiden das Gerichtsgebäude verlassen? Imogen muss doch gewusst haben, dass Sie vor Sorge um sie außer sich sein würden?«
    »Vielleicht ist sie noch wütend auf mich, weil ich sie hierher gebracht habe, damit sie sieht, dass das Glücksspiel alles zerstört, was man liebt«, sagte Charles und versuchte, seine Gefühle zu beherrschen und einigermaßen die Fassung zu wahren.
    Hester fing an zu zittern, ebenso sehr aus Angst wie vor Kälte. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Imogen kannte Fuller Pendreigh nicht. Warum, um alles in der Welt, ging sie allein mit ihm hinaus in den Nebel? Ganz egal, wie bekümmert sie wegen Elissa und dem Glücksspiel oder etwas anderem war, ganz egal, wie viel
    Mitleid sie auch für Pendreigh empfand, weil sie beide Elissa zu verschiedenen Zeiten ihres Lebens gekannt hatten, sie würde doch Charles nicht einfach stehen lassen und im Nebel verschwinden.
    Dann überkam Hester ein schrecklicher Gedanke. Machte Pendreigh etwa Imogen für Elissas Spielsucht verantwortlich, ebenso wie sie selbst einst gefürchtet hatte, Charles könnte Elissa die Schuld für Imogens Sucht geben? Sie drehte sich um und griff so fest nach Monks Arm, dass dieser zusammenzuckte.
    »Was ist, wenn er glaubt, es sei Imogens Schuld, dass Elissa gespielt hat?«, fragte sie drängend. »Was ist, wenn er es nicht gut mit ihr meint?«
    Monk wollte der törichten Idee widersprechen, aber Charles stürzte davon und versuchte, sich mit weit ausholenden Armbewegungen den Weg durch den Nebel zu ertasten, und taumelte in Richtung Ludgate Hill. Mit schrecklicher Gewissheit wusste Hester, wohin er ging … zum Fluss und zur Blackfriar’s Bridge.
    Auch Monk wusste es. Er umklammerte Hesters Hand und zog sie mit sich, zwang sie, blind durch die weiße Wand zu laufen, zur New Bridge Street, dann nach links. Hinter ihnen klangen gedämpfte Hufschläge von Kutschpferden, und vor ihnen ertönte das bedrückende Tuten der Nebelhörner. Der Nebel schmeckte salzig und wurde vom Wind in Fetzen vom Wasser hereingetrieben.
    Es klarte auf, und sie sahen Charles vor sich, der sich im Laufen von einer Seite zur anderen drehte und verzweifelt nach jemandem suchte, den er fragen konnte. Die Gaslaternen waren kaum zu sehen, nur jeweils eine Laterne vor und eine hinter ihnen erweckte die Illusion eines Wegs.
    Sie überholten einen Hansom, der im Dunkeln fast
    lautlos dahinrollte, nur ein leises Knarren von Leder und Holz und das Zischen der Räder auf der nassen Straße. Er war unsichtbar, bis sie fast mit der Nase darauf stießen, und selbst da war er nur ein dunkler Fleck in dem blasseren Nebel.
    »Imogen!«, rief Charles, und die Nacht verschluckte seine Stimme wie ein nasses Laken. »Imogen!«, rief er lauter und verzweifelter.
    Ein leises Rauschen und Gluckern war zu hören, dann ertönte plötzlich fast über ihnen ein Nebelhorn. Die Straße stieg an. Die Brücke!
    Es war dumm und sinnlos, aber auch Hester fing an zu rufen.
    Ein Windstoß trieb den Nebel ein paar Meter vor ihnen auseinander, sodass ein halbes Dutzend Laternen sichtbar wurde. Sie standen auf der Brücke, unter ihnen das Wasser als schwarz glitzernde Fläche, die aussah wie Glas, und dann war es wieder verschwunden, vom alles verschlingenden Nebel überrollt.
    Ein weiterer Hansom kam vorbei, der ein flotteres Tempo fuhr. Einen Augenblick später schrie der Kutscher auf – ein dünner, schriller Warnruf.
    Monk rannte in den hellen Fleck, der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher