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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt
Autoren: Len Deighton
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amerikanisierter Engländer, mit dem ich früher mal zusammengearbeitet hatte. Seitdem hatte ihn die Londoner Zentrale nach Washington geschickt, wo er so gut und gründlich getarnt für sie arbeitete, daß nicht mal seine besten Freunde im Department was davon wußten. In London waren wir einst sehr gut befreundet gewesen. Jetzt war ich mir dieser Freundschaft nicht mehr so sicher, obwohl ich ihm vermutlich den einen oder anderen Gefallen schuldig war.
Jim war Anfang Dreißig. Er hatte die drahtige Konstitution und Geistesgegenwart eines Handelsvertreters, der immer rechtzeitig den Fuß in der Tür hat. Er wirkte blaß und blutleer. Sein Schädel war hochgewölbt und verlor sein seidiges Haar schon, aber manchmal fiel ihm eine Strähne in die Augen. Ich glaube, er freute sich dann, es zu sehen.
Es war noch früh am Morgen, als er ankam. Er trug einen blauen Nadelstreifenanzug aus dem leichten Baumwollstoff, den man in dieser heißen Jahreszeit selbst in Washington, D.C. gerade noch ertragen kann. Ein gefaltetes Kavalierstaschentuch aus Seide mit Paisleymuster steckte in seiner Brusttasche, und die Hosen waren sehr zerknittert, als wäre er ein paar Stunden lang in seinem Sitz angeschnallt gewesen.
»Schön, dich mal wiederzusehen, Bernie«, sagte er und schüttelte mir aufrichtig die Hand, indem er mich mit den Augen fixierte, wie es die Amerikaner tun, wenn sie sich zu erinnern versuchen, wie man heißt. »Ich bin mit drin.« Er sah auf seine Uhr. »Später am Vormittag. Du und ich und Bret. Okay?«
»Gut«, sagte ich, ohne genau zu wissen, was man von mir erwartete. Ich dachte, er müsse eigentlich mit Fiona reden wollen, aber sie frühstückte im Bett, da sie den Vormittag »zur freien Verfügung« hatte.
Bret Rensselaer setzte sich mit Jim Prettyman zur Geheimbesprechung zusammen, und mich riefen sie um zehn Uhr hinein. Die Reste ihres Frühstücks standen noch im Zimmer herum. Bret konnte nicht denken, ohne dabei herumzulaufen, und so standen überall Teller mit halbverzehrten Mais-Muffins, halbgeleerte Kaffeetassen und Gläser mit Resten von Orangensaft. Ich schenkte mir aus einer Thermoskanne Kaffee ein und setzte mich. Ich griff auch nach dem Sahnekännchen, doch das gab nur noch ein paar Tropfen her.
Bret Rensselaer sagte: »Jim würde gerne deine Version von den Ereignissen hören.«
Ich sah Bret an, und er setzte hinzu: »Auf der Autobahn.«
»Oh«, sagte ich. »Auf der Autobahn.«
»Wer war dieser Mann auf dem Motorrad?« fragte Prettyman.
»Das scheint niemand zu wissen«, sagte ich.
»Ich habe Jim erzählt, daß du Theorien hast«, sagte Bret. »Und ich habe ihm gesagt, daß du nicht damit herausrückst.« Jim sagte: »Wir werden’s nicht ins Protokoll setzen.«
»Es war eine dunkle Nacht, Jim«, sagte ich.
Er beugte sich vor und schaltete das Tonbandgerät ab und sagte: »Es kommt nicht ins Protokoll.«
»Ach so«, sagte ich. Ich trank etwas Kaffee. Er war kalt. »Ich glaube, deine Thermoskanne ist im Eimer«, sagte ich. »Also, na ja … Er redete mit amerikanischem Akzent.«
»Das tun sie doch alle«, sagte Bret. »Das haben sie aus diesen Sprachlabors.«
»Ja, das habe ich auch schon gehört«, sagte ich.
»Hast du die Stimme erkannt?« fragte Prettyman.
»Soll das ein Witz sein?« fragte ich. »Ich meine, müssen wir diese Schau wirklich abziehen?«
»Wer war es?«
»Jesus, Jim! Du weißt, wer es war. Es war ein Gangster namens Thurkettle, ein abtrünniger Amerikaner. Der Killer, den das Department eingesetzt hat, um ganz sicherzugehen, daß Tessa Kosinski umgelegt werden würde.«
»Dann sei lieber still …«, begann Bret, aber Prettyman gebot ihm mit erhobener Hand Schweigen.
»Erzähl mir das mal genauer«, sagte Prettyman. »Warum sollte das Department Fionas Schwester umbringen lassen wollen?« Er sprach ganz beiläufig, aber in jenem besonders freundlichen Ton, mit dem Psychiater gefährliche Irre zu beschwichtigen suchen.
»Der Wagen verbrannte«, sagte ich. »Tessa Kosinskis sterbliche Überreste – nicht mehr als ein paar verkohlte Knochenreste – werden als diejenigen ihrer Schwester Fiona identifiziert werden. Fiona ist hier versteckt. Moskau wird nicht wissen, daß sie gesund und munter ist und bei euch hier auspackt.«
»Du vergißt die Zähne«, sagte Bret. »Sie werden mit Sicherheit einen Kiefer finden. Fiona hat sich während ihrer Zeit in Ostberlin eine Krone und eine Füllung machen lassen.« Wenn ich noch irgendeinen Beweis für die Richtigkeit meiner Theorie brauchte,
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