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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt
Autoren: Len Deighton
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vier Leuten geteilten halben Flasche Champagner. Wir saßen schweigend in der Dunkelheit. Wir beobachteten den auf Berlin zukriechenden Verkehr und hörten die Porsches an uns vorbeikreischen. Und ich vertröpfelte Blut, und die unausgesprochenen Träume, die Ehen in Gang halten, verbluteten auch. Der Regen hörte auf, oder vielleicht fuhren wir aus ihm hinaus. Ich schaltete das Autoradio an. Da gab es arabisches Gebrabbel, die deutschen Nachrichten von Radio Moskau und dann den starken deutschen Sender, der während der Nacht praktisch die ganze mitteleuropäische Opposition mundtot macht. Ein großes, schmalziges Orchester: »Ach, mach dir doch vor, daß ich dich liebe. Ach, mach dir doch vor, daß du mich liebst …« Hinter uns erhellte und färbte sich allmählich ein Streifen Himmel, bis er eine gequetschte Masse von lila-violetten Tönen war. »Alles in Ordnung, Liebes?« fragte ich. Noch immer ging sie auf meine Annäherungsversuche nicht ein. Sie konzentrierte sich nur auf die Straße, die Lippen zusammengepreßt, die Knöchel weiß.
Die unerträgliche Ungewißheit, die mir heftige Magenschmerzen verursachte, während wir der Grenze näher und näher kamen, erwiesen sich als unbegründet. Als wir hielten, sah sie in den Rückspiegel und wischte sich mit einem Taschentuch, das sie mit Spucke befeuchtete, ein paar Blutspritzer aus dem Gesicht. Ihr Ausdruck blieb unverändert. »Alles in Ordnung?«
»Ja«, erwiderte ich.
Sie fuhr wieder an. Ein gelangweilter Grenzposten streifte angesichts unserer diplomatischen Kennzeichen unsere Papiere und Gesichter nur mit einem flüchtigen Blick, ehe er zur Lektüre seiner Zeitung zurückkehrte.
»Wir haben es geschafft«, sagte ich. Sie antwortete nicht. Ein Empfangskomitee erwartete uns jenseits des Kontrollpunkts. Es war die Stunde der Dämmerung, in deren ungewissem Licht Soldaten ihre Schlachten zu beginnen pflegen. Ein paar Militärfahrzeuge waren am Straßenrand abgestellt: ein gepanzerter Mannschaftswagen, ein Befehlswagen und eine Ambulanz. Alles, was man zum Kriegführen brauchte. Von dem leeren Straßenrand her traten plötzlich zwei Soldaten in Erscheinung. Der eine war mittleren Alters, der andere in den Zwanzigern. Dann tauchte ein gutgelaunter junger Oberst einer unidentifizierbaren Einheit auf, der die Khaki-Mütze fest über seinen breiten Schädel gezogen hatte und dessen Kampfanzug außer den Flügelabzeichen der Fallschirmjäger und der Angabe seines Ranges in schwarzer Schablonenschrift keine Insignien zeigte.
»Wir haben einen Hubschrauber hier«, sagte der Oberst. Er hielt ein kurzes Offiziersstöckchen, das er nun in der Parodie eines militärischen Grußes für Fiona erhob. »Sind Sie fit genug, nach Köln weiterzufahren?« Gefragt war Fiona. Seine Stimme war laut, sein Gebaren fast triumphierend. Er war sauber und frisch rasiert, und die frühe Stunde schien ihm nichts auszumachen. »Mir geht es gut«, sagte Fiona. Der Oberst öffnete die Tür, um sie aussteigen zu lassen. Aber Fiona blieb sitzen und sah ihn nicht mal an, um ihm zu erklären, warum. Sie hielt das Lenkrad sehr fest und sah starr geradeaus. Dann schniefte sie ein bißchen. Dann noch einmal lauter, wie ein Kind, dem die Nase läuft. Dann fing sie an zu lachen. Zu Anfang war es das natürliche, charmante Lachen, das man von einer schönen jungen Frau erwarten durfte, nachdem sie soeben die Weltmeisterschaft in Spionage und Doppelspiel gewonnen hatte. Aber als ihr Gelächter anhielt, begann der Oberst die Stirn zu runzeln. Ihr Gesicht rötete sich. Ihr Lachen wurde schrill, und sie zitterte und bebte, bis ihr ganzer Körper von hysterischem Gelächter geschüttelt wurde, wie von einem Husten- oder Erstickungsanfall. Noch immer hörte das Lachen nicht auf. Mir machte es langsam angst, aber der Oberst schien so etwas nicht zum erstenmal mit anzusehen. Er betrachtete die sie bedeckenden Blutspritzer und wandte sich dann mir zu. »Das ist die Reaktion. Es sieht ganz so aus, als hätte sie allerhand durchgemacht.« Über die Schulter sagte er: »Kümmern Sie sich mal um sie, Doktor.« Er trat zur Seite, und der jüngere Mann hinter ihm kam zum Wagen. Der Soldat mittleren Alters gab ihm irgendwas. Dann griff der jungenhafte Stabsarzt durch das Fenster, packte sie, und ohne viel Theater – eigentlich ohne Aufhebens – gab er ihr eine Spritze in den Oberarm, einfach durch den Ärmel. So ist das beim Militär. Er hielt den Arm fest und beobachtete sie, während sie sich beruhigte. Dann
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