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Gedankenmörder (German Edition)

Gedankenmörder (German Edition)

Titel: Gedankenmörder (German Edition)
Autoren: Rose Gerdts
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helfen?»
    Steenhoff musste lachen.
    «Für das tragische Schicksal von Hasen bin ich in dieser Stadt zum Glück noch nicht zuständig», sagte er und bereute seine flapsige Antwort sofort.
    Für seine tierliebende Tochter war der gewaltsame Tod eines Hasen genauso verwerflich wie für andere der Mord an einem Menschen.
    «Entschuldige, mein Schatz», sagte Steenhoff und versuchte den Faden zu seiner Tochter wiederaufzunehmen.
    «Aber du kannst dich auf die Kollegen vom Revier verlassen. Die kennen ihre Pappenheimer in den Stadtteilen. Mach dir keine Sorgen. Den haben die bald.»
    Doch Marie war nicht überzeugt. Beharrlich bestand sie darauf, dass seine Kollegen von der Schutzpolizei den «Tier-Mord» nicht ernst nahmen und ihn nur als Sachbeschädigung behandelten. Als sie das dritte Mal den Namen Daniel erwähnte, wurde Steenhoff hellhörig.
    «Von wem sprichst du da eigentlich immer? Ist Daniel ein Schulkamerad von dir?»
    «Nein, das ist nur der neue Zivi auf dem Hof», antwortete Marie knapp. Auf einmal schien sie es eilig zu haben. Bevor sich Steenhoff von seiner Tochter verabschiedete, verabredeten sie sich noch zum Englischlernen am Abend. Marie sollte am nächsten Morgen in der Schule eine Grammatikarbeit schreiben.
     
    Steenhoff war an diesem Tag für die Mordbereitschaft eingeteilt. Als junger Kommissar hatte er die Bezeichnung für den Dienst geradezu absurd gefunden. Doch inzwischen benutzte er sie genauso selbstverständlich wie alle anderen auch.
    Wann immer an diesem Tag irgendwo in Bremen ein toter Jogger oder eine alte Frau unter ungeklärten Umständen tot in ihrer Wohnung entdeckt werden würden, müsste er seine Umzugskisten stehen und liegen lassen und zum Einsatz fahren. Doch vielleicht, so hoffte Steenhoff, hatte er Glück und konnte sich vorher in seinem neuen Büro einrichten.
     
    Vor zehn Jahren war Frank Steenhoff von der Schutzpolizei zur Bremer Mordkommission gewechselt. Zuvor hatte er noch einige Abteilungen als sogenannter Durchläufer bei der Kriminalpolizei kennengelernt, doch sofort gewusst, dass er zurück ins 1 . Kommissariat für Kapitaldelikte wollte. So bedrückend die meisten Fälle auch waren, die Arbeit bei den Mordermittlern hatte ihn von Anfang an fasziniert. Dabei konnte er zu Beginn kein Blut sehen.
    Er erinnerte sich genau an seine Zeit beim Kriminaldauerdienst Anfang der 90 er Jahre. Damals war er nachts zu einer Messerstecherei zwischen zwei Dealern gerufen worden. Einer der beiden Nigerianer hatte seine Hand auf eine klaffende Bauchwunde gepresst und leise gestöhnt. Steenhoff konnte sich noch daran erinnern, dass er Erste Hilfe leisten wollte, ihm aber plötzlich schwarz vor Augen geworden war. Seine Kollegen mussten in dieser Nacht zwei Krankenwagen alarmieren. Einen für den jungen Dealer und einen für Steenhoff. Ein peinlicher Zwischenfall, der noch Jahre später auf Weihnachtsfeiern immer wieder gern erzählt wurde.
     
    Steenhoff blickte auf die Umzugskisten zu seinen Füßen.
    Seufzend machte er sich wieder an die Arbeit und räumte Akte für Akte in die leeren Schränke. Ein Schwelbrand in einem Büro des Kommissariats im zweiten Stock hatte vor drei Wochen nachts einen großen Bereich ihrer Etage verrußt. Die Feuerwehr hatte mit ihrem Löschwasser den Schaden noch vergrößert.
    Steenhoffs Büro am Ende des Flurs, das er sich zuletzt mit den Kollegen Wessel und Moormann geteilt hatte, war dank der verschlossenen Tür unbeschädigt davongekommen. Doch um die rund 20  Brand- und Mordermittler des 1 . Kommissariats nicht monatelang räumlich auseinanderzureißen, mussten nun alle ins ausgebaute Dachgeschoss umziehen.
    Steenhoff sollte das Büro künftig mit einer neuen Kollegin teilen, die die Stelle eines verstorbenen Ermittlers übernehmen sollte. Umso wichtiger war es Steenhoff, das Zimmer schon einmal optisch mit Bildern und Pflanzen in Beschlag zu nehmen. All die Jahre war es ihm peinlich gewesen, wenn Besucher oder Zeugen in ihr Dreierzimmer kamen und der Blick sofort auf die überdimensionale Mickymaus an der Wand fiel. Sein Kollege Wessel, ein eingeschworener Comicfan, hatte im Laufe der Zeit auch noch Plakate von Goofy und Mickys Freundin Minniemaus aufgehängt.
    Immer wieder hatten sie über Geschmack und Außendarstellung diskutiert. Doch der «Kinderkram», wie Steenhoff die Bilder seines Kollegen abfällig nannte, blieb an der Wand.
    Schließlich hatte er sich damit getröstet, dass das Büro ja nicht sein Zuhause war. Tatsächlich wusste
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