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Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder

Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder

Titel: Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder
Autoren: Ariane Grundies
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pinseln.
    Es dauerte eine geraume Zeit, aber letztendlich wurden mir die Haare von diesem sturen Bock geschnitten. Auch wenn es manches Mal etwas länger dauert, irgendwann wird den Wünschen nachgegeben.
    Fazit : Persönliche Beratung inklusive Meinung geht in Mecklenburg-Vorpommern vor einfacher Dienstleistung.

Exportschlager
Strandkörbe
    Anlässlich des
G
-8-Treffens schlug die Schweriner Projektgruppe Landesmarketing vor, die Region Mecklenburg-Vorpommern mit einem typisch deutschen Produkt made in Mecklenburg-Vorpommern zu bewerben: mit einem Strandkorb. Vorschlag angenommen, eine
XXL
-Version gefertigt, die acht mächtigen Staatschefs für ein gemeinsames Foto hineingesetzt und anschließend das typische made in Mecklenburg-Vorpommern Produkt on Bild versteigert. Mir stellte sich damals die Frage: Warum um Himmels willen wirbt mein Bundesland, wann immer es vom Licht der Weltpresse geblendet wird, mit Dingen wie Heringen und Strandkörben? Was ist an einem Strandkorb typisch Mecklenburg-Vorpommern? Dass man in Mecklenburg-Vorpommern bei kräftigen Brisen so lange mit dem Rücken zum Wind steht, bis er von ganz alleine wieder abflaut? Oder dass sich der Meck-Pommer, wie seine Leibspeise, die Kartoffel, im Schutz vor allzu viel (Weltpressen)Licht wohler fühlt?
    Die Antwort, die ich mir gab: Viele Meck-Pommer haben einen Großteil ihres Lebens in einem Strandkorb verbracht. Womöglich rühren daher etliche ihrer Fähigkeiten. Zum Beispiel hat der Strandkorb einen ganz interessanten Scheuklappeneffekt, der dem Meck-Pommer in Fleisch und Blut übergegangen zu sein scheint. Sicht auf Stück für Stück. Jedes Stück wird lange und eindringlich inspiziert, bis sich der Wind dreht. Dann wird sich samt Strandstuhl auch gedreht, sodass man den Wind niemals von vorne hat. Noch heute überfordern mich größere Gesellschaften, weil ich die Sommer meiner Kindheit an einem klitzekleinen Tischchen verbracht habe, den es am Strandkorb auszuklappen gibt. Allein mit einem belegten Brot, einem Getränk und keinem Schnickschnack. Alles tischchenfertig, keine Wahl, Blick auf Wo-wir-herkommen. Nervtötende Möwen und Wespen, aber niemals ein Übermaß an Menschen. Typisch für den Strandkorb: Es passen für gewöhnlich nur zwei Leute hinein, also ist der Platz für Idioten stark begrenzt , wie einst ein Greifswalder Dozent den kleinen Rahmen seiner Vorlesung kommentierte.
    Wahrscheinlich ist der Strandkorb an sich ein Symbol für den mittlerweile hinreichend bekannten meck-pommerschen Sturkopp. Schließlich gibt es ihn nur, weil eine renitente Mecklenburgerin ihrerzeit nicht einsehen wollte, dass ein Strandaufenthalt ihrem Rheuma nicht bekam. Zu viel Wind, zu viel Sonne. Die Warnemünder Dame wollte sich aber vom Rheuma nicht ihre geliebten Seeaufenthalte verbieten lassen, also marschierte sie 1882 zum Rostocker Hofkorbmacher Wilhelm Bartelmann und orderte etwas, dass ihr den lästigen Wind aus dem Rücken hielt. Sie bekam daraufhin einen als aufrecht stehenden Wäschekorb belächelten Strandstuhl gefertigt. (Selbstredend wurde damals von Herrn Bartelmann das Patent nicht angemeldet.) Spätestens in den Zwanzigerjahren eroberte dieses Ding endgültig die Küsten. Theodor Fontane nannte ihn Korbhütte , Tucholsky ein eigentümlich bergendes Sitzhäuschen .
    Heute gibt es ihn tausendfach als Ostsee- (geschwungener) oder Nordsee- (kantiger) Modell, als Halblieger, als Ganzlieger, noch immer per Hand geflochten. Wo die Touristen herkommen, die darin sitzen, erkenne ich an der Art, wie sie im Strandkorb lungern. So sitzt beispielsweise der Ruhrpöttler (der neuerdings mit dem Billigflieger Germanwings in null Komma nix für fast null Komma nix von Köln nach Rostock fliegen kann) wie in seinem häuslichen Fernsehsessel, lagert seine Bierchen unter den Fußstützen, legt sich ein extra Handtuch hinein (Motiv Formel 1) und kickt seinem Sohn den Fußball entgegen. Der Berliner liegt ohne Extrahandtuch, trägt dafür eine extra große Sonnenbrille und blättert in einer Illustrierten. Auf Usedom werden die Strandkorbsitzer von Strandkorbmäxchen, mit richtigem Namen Klaus, versorgt: Wenn sich einer verletzt hat, betreu ich ihn, nich ? Kriegt er Pflaster, die Kinder kriegen ein Bonbon von mir, und so geht das hier den ganzen Tag.
    Amerika hat Florida, Österreich die Alpen. Deutschland hat Mecklenburg-Vorpommern. So schrieb Die Welt. Ja und was hätte Amerikas Florida vor allem ohne Mecklenburg-Vorpommern?, frage ich. Jedenfalls keine
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