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Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder

Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder

Titel: Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder
Autoren: Ariane Grundies
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begriffen, dass eine kleine Unterhaltung mit dem Kunden durchaus verkaufsfördernd wirken kann. Dabei verzichtet der Meck-Pommer auf Lug und Trug, redet nicht lang um den heißen Brei herum, sondern ist kompromisslos ehrlich. Wenn mir unter einem der grünen Wernesgrüner-Sonnenschirme auf dem Alten Markt in Stralsund die Bedienung auf meinen Hinweis, dass der Milchkaffee irgendwie seltsam schmeckt, antwortet: Ja, ich habe auch schon eine Minute daran gerochen. Die Milch ist eben schon ewig auf, ich habe auch probiert, war mir aber nicht sicher

… oder wenn einem in einem Rostocker Café nach Bestellung eines Glas Leitungswassers ein Brief vom Chef vor die Nase gehalten wird, in dem es heißt: Gehen Sie nach Hause, stellen Sie die Heizung ab, drehen Sie die Glühbirnen raus und entnehmen Sie Ihr Getränk der Regentonne. Dann haben Sie alles umsonst und belasten nicht unsere Wirtschaft mit Ihrer Einstellung, dann frage ich mich schon, wie solche doch brutal offenen Äußerungen wohl auf den unvorbereiteten Touristen wirken. Wird er Mecklenburg-Vorpommern für unwirtlich halten, nur weil jemand ehrlich ist?
    Aber was zählt ein Milchkaffee oder ein Glas Wasser, wo Wildgänse und Kraniche geräuschvoll über leuchtend gelbe Rapsfelder hinwegfliegen, wo sich Emmas (so heißen laut Tucholsky alle Möwen) in die See stürzen, wo man in gastronomischen Einrichtungen ein spannendes Crossover aus maritimem Chic mit spanischen oder französischen Elementen und sozialistischen Kunstblumen erwarten darf? Was zählt ein unvereistes Eis, wenn man aus einer ihresgleichen nicht findenden Bandbreite an Sanddornprodukten wählen kann? Ein unvereistes Eis ist im Vergleich zu Ostsee satt und dem bis 1647 vierthöchsten Kirchturm (Marienkirche Stralsund) der Welt nichts, aber auch gar nichts wert. Alte Hansestädte mit Seefahrercharme, der mancherorts in Mecklenburg-Vorpommern fälschlicherweise mit Ostcharme verwechselt wird, brauchen kein unvereistes Eis. Kulinarisch ist man hier sowieso etwas weniger anspruchsvoll.
    Als ich zum fünfzigsten Geburtstag meiner Mutter für die Verwandtschaft ein französisches Menü kochen wollte, bekniete sie mich verzweifelt, es sein zu lassen. Versau es mir bitte nicht ! Du weißt doch, dass sie nur Fisch- und Käsebrötchen und Bockwurst wollen. Wir machen das nun mal immer so !
    Ja, keine Extrawürschte, für niemanden. So machen wir’s immer. Als 1991 Angela Merkel meinen Bruder, der sich gerade in der Kochausbildung befand, fragte, ob sie sich zwei Bockwürste vom Büfett einpacken dürfe, antwortete er: Aber nur zwei, die anderen sind für Ines’ Hund . Angela wagte keinen Widerspruch und packte sich für den steinigen Weg, der zweifelsohne vor ihr lag, zwei Bockwürste in Alufolie. Als Dank für die Güte meines Bruders schleppt sie noch heute regelmäßig hohen Besuch ins Land, der auch nicht mit einem französischen Menü, sondern mit Spanferkel oder Zander, dem bestenfalls eine Zitrone im Maul steckt, verköstigt wird. Bodenständigkeit nennt man das. Authentizität. Auch die Bundeskanzlerin weiß, wenn Mecklenburg-Vorpommern einen erst mal am Wickel hat, lässt es einen nicht mehr los, dann gerät man schnell in die Versuchung zu behaupten, das Fischland wäre das schönste Land der Welt. Nicht dem Stress allzu vieler Konventionen unterworfen zu sein macht Mecklenburg-Vorpommern zu einer ungemein entspannten Region, in der man den Blick für Wesentliches, zum Beispiel die Natur, behält. Als sich die Medien weltweit fragten, ob der Zaun, der zum
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-8-Gipfel um das älteste deutsche Seebad Heiligendamm herum errichtet wurde, die Sicherheit der Politiker garantieren kann, versicherte die mecklenburgische Polizei der Presse: Wenn ein Hase davor hoppelt, merken wir das.
    Mecklenburg-Vorpommern, gekrönt mit dem Werbeslogan MV tut gut , gehört mittlerweile nicht mehr nur bei amerikanischen Präsidenten und
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8-Gegnern zu den beliebtesten Zielen im Land. Was genau an Mecklenburg-Vorpommern guttut, lässt sich pauschal nicht sagen. Es ist für jeden etwas anderes, und jeder muss es selbst herausfinden. Der eine knattert mit seinem Motorrad über das Kopfsteinpflaster der uralten Kastanienalleen, während sich ein anderer das Kopfstein per Kutsche gibt. Einer stellt sich in den Wind, der am Pommesstand des Kreidefelsens weht, und der andere setzt sich in die gemütliche Teeschale in Prerow auf dem Darß und futtert selbst gebackenen Rhabarberkuchen. In diesem Sinne ist es ganz und gar ein
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