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Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder

Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder

Titel: Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder
Autoren: Ariane Grundies
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Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
    Schon Bismarck meinte: Wenn die Welt untergeht, dann gehe ich nach Mecklenburg, denn da geht sie fünfzig Jahre später unter . Die Uhren an den Kirchtürmen, Juweliergeschäften und Sparkassen ticken hier anders. Ümmer mit de Rauh mien Schieter , pflegte man mir auf Nachfragen jeglicher Art zu antworten. Schieter , also Scheißer, werden in Vorpommern all die genannt, die einem besonders am Herzen liegen – Das lässt tief blicken , findet meine Freundin. Wegen der anders tickenden Uhren, sollte sich der gemeine Tourist auch nicht wundern, wenn er einen ganzen Tag auf einem leeren Amt verbringt, um eine Touristenangelerlaubnis zu bekommen. Dabei sollte er sich stattdessen bewusst machen, dass es von Mecklenburg-Vorpommern sehr fortschrittlich ist, auch Menschen ohne eine bestandene Fischereiprüfung das Angeln zu erlauben. Und spätestens wenn dann die Billigangel im Sund hängt und man darauf wartet, dass ein Hecht anbeißt, erkennt man, dass Warten hier System hat. Man wartet, und es tut gut, weil man weiß, irgendwann wird schon irgendwie irgendwas klappen.
    Als ich es geschafft hatte, dem platten Land zu entkommen, dachte ich, ich würde fünfzig Jahre nicht mehr nach Mecklenburg gehen. Aber allein wegen des orangefarbenen Hiddensees dauerte es nicht mal fünf Monate, bis ich wieder vor der Tür stand. Der Fischgestank klebt an mir wie eine Lederhose am Bayern oder eine Maultasche am Schwaben.
    Mecklenburg-Vorpommern besteht nicht nur aus Zeltplätzen, auf denen Randalierer ihr Unwesen treiben und sich mit Wernesgrüner besaufen. Nicht alle Meck-Pommer sind kahlköpfige Nazis, deren Mütter in Kittelschürze am Gartentor stehen. So will es nur das ein oder andere Klischee. Und in Mecklenburg-Vorpommern, liebe Otterndorfer Lyonsclubmitglieder, die ihr mich einst eingeladen und ausgefragt habt, spricht man auch kein Sächsisch. Mecklenburg-Vorpommern ist nicht nur eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für Künstler, sondern auch Muse vieler Vorurteile. Doch, ich bin schon überrascht von den Vorstellungen über Mecklenburg und Vorpommern, die mir immer wieder in absurden Fragen und auch Feststellungen begegnen.
    Wow ! Leute ! Von der Schweiz nach McPom umziehen, das ist so, als wenn man von Monaco in den Kosovo zieht. Alle Achtung – da muss man schon missionarisch drauf sein, oder ? Gruß, Brande (Internetforum).
    Mir scheint mein Bundesland für andere ein einziges Rätsel zu sein. Wo fahren die denn hin, wenn sie mal shoppen wollen? Es gibt ja nur eine Großstadt. Warum heißt das Bier Störtebeker , und wer war Wallenstein? Warum soll man nach Hiddensee, wenn es Sylt gibt? Wo trifft sich Merkel mit ihren mächtigen Männern zum Spanferkelessen? Warum sieht es beim Kreidefelsen nicht so aus wie auf dem Caspar-David-Friedrich-Gemälde? Was ist der Unterschied zwischen Mecklenburgern und Vorpommern? Sagt man Meecklenburg, Mäcklenburg, StralSund, Strahlsund oder Roschtock?
    Roschtock , sagt meine Oma. Ausschreitungen in Roschtock. Sei froh, dass du nicht mehr hier bist. Hier ist was los ! In der Tat scheint seit meinem Weggang vor zehn Jahren in Mecklenburg-Vorpommern eine Aufregung nach der anderen durchs Land zu ziehen. Ein jeder kommt hierher. Dagmar Frederik und George W. Bush geben sich die Klinke in die Hand. Und ich bin nicht mehr dabei. Ich sitze in einer großen Stadt und falle auf das arrogante Augenrollen meiner Freunde und Feinde herein, wenn ich meine Herkunft erwähne. Dann roll ich mit den Augen mit, obwohl ich es besser wissen müsste. Denn in Mecklenburg-Vorpommern muss man doch nur wissen, den Blick dahin zu richten, wo die Natur schön genug und das Verhalten der Menschen skurril genug ist. Schönheit und Skurrilität liegen immer im Auge des Betrachters. Also mich wundert’s nicht, wenn Stralsunder den Real Allkauf und die Weiland-Buchhandlung Goethe-Buchhandlung nennen. Ich weiß, dass zehn Jahre knapp bemessen sind, um sich an einen neuen Namen zu gewöhnen. Hingegen selbst mich irritiert, wenn ich noch immer das Wort Flachstrecke für Kommode oder Sideboard höre, dessen Verfallsdatum schon deutlich länger abgelaufen sein dürfte.
    Ich glaube, es hat noch niemand so recht verstanden, dass in Zukunft hier die Musik spielen wird. Denn gegen die Natur kommt keiner an. In den hektischen Zeiten, die vor uns liegen – fünf Minuten mit dem Handy zu telefonieren schüttet so viel Stresshormone aus wie ein fünfzehnminütiger Streit –, werden
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