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Gebrauchsanweisung fuer Indien

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Indien
Autoren: Ilija Trojanow
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Götter gibt es auch Ratten und Schwäne, und bislang ist niemand auf die Idee gekommen, diese als heilige Tiere zu bezeichnen, was insofern bedauerlich ist, da die Allgegenwart der Ratten in den Städten ein noch stärkerer Ausdruck der ewigen Spiritualität Indiens wäre (in Rajasthan gibt es sogar einen Tempel der Ratten). Somit erfüllt die allgemeine Wertschätzung der Kuh keineswegs die theologischen Maßstäbe von Heiligkeit. Gläubige Inder wären ebenso erzürnt, wenn Affen oder Elefanten, Adler oder Schlangen getötet werden würden, mit dem kleinen Unterschied, daß die Kuh traditionell und in vielen ländlichen Gebiete auch heute noch mit ihrer Milch die Gemeinschaft ernährt. Wenn also jemand in der Großstadt einige Münzen zahlt, um einer Kuh ein Büschel Gras zu spenden, so verbessert er im Vorbeigehen sein ethisches Konto, indem er einem geachteten Lebewesen Gutes tut.
    Übrigens ist es historisch erwiesen, daß die Hindus keineswegs schon immer entschiedene Vegetarier waren. Bevor sich der Buddhismus ausbreitete, wurden Kühe geopfert, geschlachtet und verspeist. Auf den Reliefs nordindischer Tempel sieht man Jäger eine gefesselte Wildsau tragen, und es ist nicht anzunehmen, daß sie den Eber zu Zuchtzwecken nach Hause schleppten. Aber da bekanntlich nicht sein kann, was nicht sein darf, werden neuerdings in Indien sogar wissenschaftliche Publikationen zum Thema des antiken Fleischgenusses öffentlich angefeindet, ihre Autoren physisch bedroht. Die Verteidiger eines Mantras können beizeiten sehr uneinsichtig sein.

    In Monghyr am Ganges unterhielt ich mich mit einem knorrigen Mann, der eine kleine Molkerei leitete. Während wir über die Kolonialgeschichte des Ortes sprachen, wurde hinter ihm eine Kuh festgehalten, damit ein Bulle sie besteigen konnte. Ich hatte Schwierigkeiten, mich auf das Gespräch zu konzentrieren, mein Blick stahl sich immer wieder von den asketischen Gesichtszügen des Mannes weg zu dem Drama hinter seinem Rücken. Die Kuh widersetzte sich dem Versuch heftig, der Bulle ging einige Male in die Knie. Die Männer, die den Begattungsversuch beaufsichtigten, lachten erbarmungslos. Die widerspenstige Kuh mußte harte Schläge einstecken. Immer wieder besprang sie der geile oder vielleicht auch nur schicksalsergebene Bulle. Schließlich wurden die beiden Tiere weggeführt.
    »Hat es geklappt«, fragte ich den Mann.
    »Ja, ja.«
    »Aber die Kuh wollte wohl nicht?«
    »Dieses Vieh ist halt so«, antwortete er, »ich weiß nicht, was mit ihr los ist. Was soll’s, sie ist doch nur eine Kuh.«

2. Aum

    Aum: 1. Der kosmische Laut, der die Gesamtheit aller Klänge repräsentiert und somit aller Existenz. Er besteht aus den Buchstaben a-u-m, wobei ›a‹ die Wachsamkeit des Menschen bezeichnet, ›u‹ die Traumwelt und ›m‹ den tiefen Schlaf. 2. Eine stimmliche Skulptur, von dem rachentiefen ›A‹ zu dem mundschließenden ›M‹. 3. Symbolisiert alle Buchstaben, also auch alle Alphabete, also auch alles Wissen.

    Pandit Tripathys sanfte Stimme schläferte mich ein. Er hatte minutenlang mit geschlossenen Augen geschwiegen, mit dem Oberkörper hin und hergewippt, leicht wie ein Wipfel, der eine Brise fühlt. Als er auf Sanskrit zu singen begann, schloß auch ich die Augen, und bald wollten meine Ohren keinen Schritt weitergehen, sie wünschten sich niederzulassen, im Aum zu verharren. Ich vergaß Pandit Tripathys häßlichen Mund und den spirituellen Kitsch, der mich umgab. Ich war bereit, der Einfachheit des Moments alles zu widmen, bereit, mich hinzugeben, mich zu öffnen … da fiel mir unglücklicherweise ein, daß Pandit Tripathy Madonna das Singen von Sanskrit -Shlokas beigebracht hatte und ich ihn unbedingt dazu befragen wollte. Sie können jede Frage stellen, hatte er zu Beginn gesagt, solange Sie am Ende eine Spende von zehn Dollar entrichten.
    Ich traute mich nicht, ihn zu unterbrechen, auch nicht, als er die Meditation beendete. Er faßte das Einmaleins des Atemyogas zusammen, stellte die erste von fünf Atemarten vor: Höre dein eigenes Atmen, höre den Klang deines Atmens, höre, wie der Klang deines Atmens zu einem Mantra (siehe Kap. 1) wird, spüre, wie das Mantra sich mit deinem Körper vereint, fühle die Energie, die es produziert, lasse es fließen, höre die innere Musik deines Körpers, lasse sie fließen, von Chakra zu Chakra. Am Ende dieses privaten Schnellkurses überreichte er mir einen Prospekt … The persons disirous in Yoga, Tantra, Ayurveda, Veda,
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