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Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Amerika
Autoren: Watzlawick Paul
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Wagen aus Europa mitbringen wollen, müssen Sie sich vergewissern, daß er den amerikanischen Zulassungsbedingungen entspricht (also zum Beispiel »sealed beam«-Scheinwerfer und das vorgeschriebene Sicherheitsglas hat, von den komplizierten Abgaskatalysatoren ganz zu schweigen). Darüber können Sie genaue Auskunft von den europäischen Herstellern Ihres Wagentyps anfordern.
    Wie erwähnt, sind die Autobahnen (die zum Teil Mautstraßen sind) ausgezeichnet durchkonstruiert, das Netz ist riesig, die Beschilderungen klar. Kein Wunder, wenn man sich überlegt, daß die Amerikaner darin schon Fachleute waren, bevor Mussolini sein schnurgerades Protzstückchen von Mestre nach Padua eröffnete. Die Einmündungen und Überkreuzungen, die Sie zum Beispiel in New York oder Los Angeles sehen werden, sind trotz ihrer futuristischen Kälte imposant. In Stadtgebieten überbrücken Autobahnen oft kilometerweit die Wohnbezirke und tragen zum beklemmend ungastlichen Eindruck der Großstädte bei, einem Eindruck, der sich einem freilich auch in anderen Weltstädten immer mehr aufdrängt.
    Doch bevor wir uns den Städten zuwenden, möchte ich im Interesse Ihrer Fahrsicherheit nochmals auf zwei wichtige Faktoren verweisen:
1. Es kann links und rechts überholt werden, und das vergißt man als Europäer nur zu leicht. 
2. Wenn Sie vom geraden Kurs abschwenken (also abbiegen oder die Fahrbahn wechseln), sind Sie dafür verantwortlich, daß es der Verkehr hinter Ihnen gestattet. Theoretisch ist das natürlich auch in Europa so; in der Praxis aber hat sich längst die Gewohnheit eingebürgert, nur auf den Verkehr vor und eventuell links von sich zu achten und sich den Teufel darum zu scheren, was hinter einem vorgeht. In den Vereinigten Staaten dagegen erwarten die Fahrer hinter Ihnen, daß Sie sich nach ihnen richten und daher vor allem Ihre Absichten klar und rechtzeitig signalisieren. 
    Und schließlich noch ein Hinweis auf eine Verkehrsregel, die dem Europäer nicht sowieso bekannt sein mag: Es ist verboten, mit Standlicht (Parklichtern) zu fahren, und zwar auch in den Stadtzentren und nicht nur auf schlechtbeleuchteten Neben- oder Landstraßen.

Die Städte
    Als europäischer Kinobesucher nehmen Sie wahrscheinlich an, daß die in amerikanischen Filmen immer wieder zu sehende Hauptstraße entweder eine hundertmal verwendete Kulisse in Hollywood ist oder – wenn sie tatsächlich existieren sollte – sorgfältig in Hinblick auf maximale Schäbigkeit ausgewählt wurde.
    Auf der Fahrt vom Flugplatz in die Stadt haben Sie nun aber ein Déjà- vu-Erlebnis nach dem anderen, denn irgendwie drängt sich Ihnen der Eindruck auf, das alles schon einmal gesehen zu haben. Der Grund ist schlicht der, daß die amerikanischen Städte tatsächlich von einer unerwarteten Einförmigkeit sind. Wie die römischen Legionäre ihre castra oder die spanischen conquistadores ihre lateinamerikanischen Siedlungen entwarfen auch die langsam nach Westen vordringenden Besiedler der Neuen Welt ihre Städte nach dem Muster, das dem praktischen Tatmenschen naheliegt: schachbrettartig, übersichtlich und den natürlichen Gegebenheiten nur dort geradezu feindselig Rechnung tragend, wo jene – wie ein Flußlauf oder eine Felswand – sich nicht dem Schachbrett unterwerfen lassen. Aber sogar dort, wo die Natur dies erzwingt, bleibt das Stadtbild selbst monoton das gleiche. Hierfür bietet das von den Amerikanern meist als Gegenbeweis verwendete San Francisco [7] ein gutes Beispiel: Die Stadt, hügelig wie Rom, liegt in zauberhafter Umarmung mit einer Bucht von romantischer Schönheit. Wäre es dieser Stadt vergönnt gewesen, sich wie eine ihrer mediterranen Schwestern langsam und spontan zu entwickeln, so würde sie tatsächlich zu den schönsten der Welt zählen. Doch selbst hier, fern von Prärie und Wüste, wurde das sture Quadratmuster über Hügel, Ufer und Wälder geworfen; unbekümmert um die Topographie laufen endlose, häßliche Straßen parallel und quer zueinander bergauf und bergab, manchmal so steil, daß man befürchtet, der Wagen werde die Steigung nicht schaffen oder sich auf der Talfahrt überschlagen.
    Eine der wenigen Ausnahmen sind das Regierungsviertel von Washington, das sich an das städtebauliche Konzept des kaiserlichen Frankreichs anlehnt, oder das pulsierende, kreolische French Quarter (Vieux Carré) von New Orleans. Und Ausnahmen sind auch jene großzügigen (aber immer noch schachbrettartigen) Sanierungen ganzer Altstadtteile, das heißt
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