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Gayles Hamburg: Macht Waldmeister schwul?

Gayles Hamburg: Macht Waldmeister schwul?

Titel: Gayles Hamburg: Macht Waldmeister schwul?
Autoren: Sissi Kaipurgay
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vollgesaut mit dieser Flüssigkeit, die meine Oma als Wurzel allen Übels bezeichnete. Weshalb das so war, verstand ich nicht. Aber es war – eklig. Das wusste ich und ich fühlte es.
     
    „Michi? He, Michael? Hallo. Erde an Michi. Willst du eine Erdbeere probieren?“
    Ich kam zurück ins Jetzt, sah verstört zu Ole hoch, der mich anlächelte und mir eine Erdbeere vor den Mund hielt. Ohne nachzudenken, öffnete ich meine Lippen und nahm die Frucht auf, spürte kurz Oles Finger. Dann nur noch den süßen Saft der Erdbeere, die auf meiner Zunge zerplatzte. Der Duft des Waldmeisters, der direkt neben mir zerhackt auf seine Verwendung wartete, ließ meine Gedanken erneut in den Wald wandern.
     
    Verschämt ordnete ich meine Kleidung, rieb an den Eiweißspuren, als Hannes einen Finger unter mein Kinn legte und mein Gesicht anhob.
    „He, Michi, alles in Ordnung?“
    Ich nickte, mein Blick glitt wieder nach unten.
    „Michi, he, sind wir noch Freunde?“
    Erneut nickte ich, was sollte ich sonst tun? Wir pflückten den Waldmeister und brachten ihn zu meiner Oma, die mit hochgezogenen Augenbrauen meinen Zustand registrierte. Ich hatte danach nie wieder Kontakt – solchen Kontakt – mit einem Mann. Anja kam, ich verliebte mich und alles war in Butter. Bis jetzt. Okay, bis vor vier Jahren, drei Monaten und sechs Tagen.
     
    „Ich brauche ein Gefäß“, verkündete Ole.
    Froh darüber, endlich etwas tun zu können, sprang ich auf und nahm die Bowlenschüssel aus dem Küchenschrank, in dem ich alles verwahrte, was ich nie brauchte. Ole staunte, als er das Kristallgefäß sah.
    „Wow, ich hätte nicht gedacht, dass du so etwas besitzt.“
    Tja, auch ich war erst durch diese blöde Einladung und Oles Idee mit der Bowle daran erinnert worden.
    „Was soll ich noch tun?“
    Erwartungsvoll blieb ich neben Ole stehen, der inzwischen eine Vanilleschote mit dem Messer bearbeitete.
    „Gib mir noch ein Bier.“
    „Meinst du, das ist eine gute Idee?“
    „Mensch, Michi, sei nicht so spießig.“
    Wer wollte schon spießig sein? Wahrscheinlich war ich es, aber ich würde das niemals zugeben. Also bekam Ole sein Bier und ich öffnete mir auch noch eins, nur zur Gesellschaft. Wieder sank ich auf den Stuhl neben dem zerhackten Waldmeister. Der Duft benebelte mich, aber ich zwang mich, im Hier und Jetzt zu bleiben. Neugierig sah ich zu, wie Ole die Erdbeeren in die Bowlenschüssel warf. Ob sein Schwanz auch so aussah wie meiner?
    „Michi, wo ist der Likör?“
    Leicht grünlicher Nebel umgab mich, als ich mich verwirrt umsah. Welcher Likör? Und wieso dachte ich an Schwänze? Irritiert nahm ich einen tiefen Schluck aus meiner Flasche, trank sie gleich ganz aus. Mein Blick glitt automatisch zum Fenster und ich registrierte, dass die Sonne zwar untergegangen, es aber noch nicht ganz dunkel war. Mist. Noch ein Grundsatz zum Teufel.
    „Nimm den Wodka. Ich hab keinen Likör gefunden“, sagte ich, erhob mich und ging etwas unsicher in den Flur, um die Flasche wegzubringen.
    Hier wäre es an der Zeit zu erwähnen, dass ich nicht viel Alkohol vertrug. Also ging ich zurück zu meinem Stuhl und setzte mich wieder neben den Waldmeister, der zur Hälfte inzwischen den Erdbeeren und dem Wodka Gesellschaft leistete. Aber der grünliche Nebel blieb. Ole rührte unterdessen unbekümmert in der Bowle, warf das Vanillemark hinein und goss schließlich eine Flasche Sekt obendrauf.
    „Probier mal“, er hielt mir die Suppenkelle hin, die er zum Umrühren benutzt hatte.
    Schnell schob ich meine Hand unter die Kelle, damit kein Tropfen auf meine Hose kleckerte. Vorsichtig trank ich einen winzigen Schluck, leckte mir über die Lippen und sah zu Ole auf, der mich gespannt beobachtete.
    „Lecker. Aber fehlt da nicht noch was?“
    „Ja, aber ich weiß nicht, was es ist.“
    Auch Ole probierte aus der Suppenkelle. Er legte seine Lippen an genau die Stelle, wo zuvor meine gewesen waren. Warum mir das auffiel? Keine Ahnung, aber ich registrierte, dass Ole wunderschöne Augen hatte, mit langen Wimpern und sehr blau.
    „Probier du noch mal.“
    Wieder hatte ich die Kelle vor der Nase und trank vorsichtig. Es schmeckte lecker, und ich hätte gerne mehr von dem Zeug getrunken. Aber ich fühlte mich auch jetzt schon benebelt, war wahrscheinlich schon beschwipst. Vom Waldmeisterduft, vom Bier und von dieser Bowle.
    „Also ich weiß nicht, was da fehlt. Lass uns doch das Zeug mit in dein Wohnzimmer nehmen und darüber nachdenken. Wir haben ja noch Zeit, bis
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