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Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauß: Eine Biographie (German Edition)
Autoren: Hubert Mania
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ein, wie empörte zeitgenössische Kritiker den Handel bezeichnen. Neu ist diese Praxis der Soldatenanwerbung in deutschen Kleinfürstentümern nicht – die Untertanen genießen traditionell einen hervorragenden Ruf als universell einsetzbares Kanonenfutter –, dieses Mal aber erregt das Abkommen zwischen London und Braunschweig internationales Aufsehen, weil der Kriegsschauplatz am anderen Ende der Welt liegt. Vater und Sohn geraten über diesen Plan in einen schweren Konflikt. Carl Wilhelm Ferdinand führt zwar die Verhandlungen mit den Abgesandten Georgs III., doch der alte Herzog zögert seine Zustimmung immer wieder hinaus.
    Schließlich wird vereinbart, dass Carl Wilhelm Ferdinand für jeden Fußsoldaten 51 Taler und 15 Groschen «Werbegeld» bekommt. Außerdem steht im Vertrag: «Drei Verwundete gelten als ein Toter, und ein Toter wird nach der Rate des Werbegeldes … bezahlt.» Der Finanzminister meldet in einem Brief an seine Ehrwürdige Durchlaucht, wenngleich «verharrend in tiefster Devotion», ernste Bedenken an, die von Weitblick und Scharfsinn zeugen. Er stellt sich gegen den Soldatenverkauf, «da durch selbigen das Land von Unterthanen besonders von jungen Mannschaften und Arbeitern entblösset und dadurch die Biersteuer und BrantweinAcciseCasse einen noch stärkeren Abfall, als bisher, leiden wird» [Zim 2 : 165]. Und recht hat er ja, der vorausschauende Finanzminister. Denn was sind schon schnelle 50 Taler «Sterbegeld» in der herzöglichen Subsidienkasse für einen Soldaten mit einer amerikanischen Kugel im Kopf, verglichen mit den lebenslang fließenden Steuereinnahmen, die ein im friedlichen Braunschweig werkelnder und wegen Ereignisarmut fleißig dem Alkohol zusprechender Untertan in die BrantweinAcciseCasse fließen ließe?
    Von März bis Mai 1776 ziehen also einige tausend Braunschweiger Landeskinder durch die Residenzstadt zum Schloss, um sich equipieren zu lassen, bevor sie den elftägigen Fußmarsch nach Stade antreten, wo sie eingeschifft werden. «Der englische Marineoffizier erklärte, er erinnere sich nicht, in seinem Leben einen solchen Haufen schlecht aussehender Kerle zusammen gesehen zu haben» [Dro: 153]. Und bei diesem Auszug der Truppen trifft den alten Herzog der Schlag. Wegen der damit verbundenen seelischen Erregung, wie Gattin Philippine Charlotte zu ergänzen weiß. Kurz nach Ankunft der Braunschweiger Soldaten auf dem fernen Kriegsschauplatz erklärt die quecksilbrige Truppe aus Freistilpuritanern, Freimaurern und Freischärlern um Thomas Jefferson und George Washington in Philadelphia ihre Unabhängigkeit von Georg III. Und als wäre dieser Akt nicht impertinent genug, statten sie sich selbst, übermütig und anmaßend, wie man sie kennt, mit dem Recht auf Freiheit, Gleichheit und dem Streben nach Glück aus. Nur was, fragt sich der amüsierte europäische Adel angesichts dieser haarsträubenden Neuigkeit aus Pennsylvanien, sollten gewöhnliche Untertanen schon mit privatem Glück anfangen können, wo sie doch zum Arbeiten geboren sind?
    Der spektakuläre Soldatenhandel mit England spült dem fast bankrotten Regenten zwischen 1776 und 1786 genügend Geld in die Staatskasse, um das Welfenhaus Braunschweig zu sanieren. Der seit dem Tod von Carl I. im März 1780 auch offiziell regierende Herzog Carl Wilhelm Ferdinand kann sich jetzt gelassener seinem großen persönlichen Anliegen widmen, die Wissenschaft in seinem Kleinstaat nach Kräften zu fördern. Das trifft sich gut und kommt kein Jahr zu spät, denn am Wendengraben, in Sichtweite zum herzoglichen Schloss, bringt sich ein Kind mit ungeheurem Appetit auf das Wissen der Welt gerade im Selbstlehrgang Schreiben und Lesen bei. Es drängt den neun Jahre älteren Stiefbruder Georg, der gerade sein letztes Schuljahr absolviert, ihm beim Erlernen des Buchstabierens zu helfen, und zieht, ganz selbstverständlich und unerbittlich, die ungläubig staunenden Nachbarn, Freunde der Eltern und Verwandte hinzu, vor allem den geliebten Onkel Fritz aus Velpke. Die Erwachsenen lachen nervös über den heiligen Ernst, mit dem der kleine Gauß Fragen zu seinen Schreib- und Entzifferungsübungen stellt. Leider kann ihm ausgerechnet der Mensch, der ihn am meisten liebt, bei seinen vorgezogenen Elementarbildungsübungen nicht helfen. Mutter Dorothea liest Gedrucktes nur mit Mühe, Handschriften gar nicht [Hän: 94]. Und schreiben will sie jetzt auch nicht mehr lernen.
    Zu Ostern 1784 wird der siebenjährige Überflieger eingeschult. Der
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